In die USA

Die Tradition der Segnung einzurichten und in aller Welt zu verbreiten, ist Reverend Moon ein großes Anliegen. Sowie die Mitgliedschaft im Ausland etabliert ist und die richtigen Voraussetzungen geschaffen sind, werden internationale Segnungen eingeführt. 1969 werden 430 Paare in der letzten ausschließlich von Koreanern bestrittenen Hochzeitszeremonie gesegnet. Im Sommer des gleichen Jahres bereist Reverend Moon erneut die Welt, wobei eine Segnung von 22 Paaren in Japan, 13 Paaren in den USA und acht Paaren in Europa stattfindet. Wie in allen vorhergehenden Zeremonien verbindet sich auch hier eine geschichtliche Bedeutung mit der Zahl der Teilnehmer. Durch die auf dieser Reise insgesamt 43 gesegneten Paare, "haben alle Nationalitäten und Rassen der Erde eine Chance auf Erlösung".

1971 folgt eine dritte Weltreise, zu deren Abschluß Reverend Moon die USA besucht, wo er am 1. Januar 1972 in Washington D.C. vor Kirchenmitgliedern predigt. Er spricht die Möglichkeit an, mit den Nachfolgern in den USA direkt zusammenzuarbeiten und erinnert sie daran, "daß ihr in allen 50 Staaten die Evangelisationstätigkeit aufnehmen" solltet. Im Frühjahr, nach Besuchen der europäischen Kirchenzentren in Paris, London und Essen, reisen Reverend Moon und seine Familie mit permanenten Visa in die USA ein. Um Amerika auf seine Mission hinzuweisen, beginnt Reverend Moon eine ausgedehnte Ansprachentour, die insgesamt für drei Jahre alle Kräfte der Vereinigungskirche einspannt.

Daß alle Kräfte der amerikanischen Vereinigungskirche mobilisiert wurden, wollte allerdings nicht übermäßig viel heißen. Von einer national aktiven Vereinigungskirche konnte nicht die Rede sein. Mitglieder hatten sich vor allem im Umfeld von San Franzisco gefunden, wo in den sechzigern der Traum von Flower power und Hippie happiness regierte. Die dortige lockere Gruppe von Kirchenmitgliedern scharte sich um Dr. Young Oon Kim, den 1965 aus Japan gekommenen San Ik Choi und einige asiatische Missionarinnen. Zwischen dieser "Oakland Family" (nach einem Vorort von San Francisco benannt) und den beiden anderen ursprünglich nach Amerika entsandten Missionaren bestand trotz des gemeinsamen Gedankenguts und unifikatorischen Anspruchs kein besonders gutes Verhältnis. Reverend Moon sprach am 1. Juli 1973 an, daß "diese Einheit nicht zustande kam und die drei untereinander gespalten" wurden. "Das war ein folgenreicher Fehler." Die Auffassungsunterschiede und gegensätzlichen Missionsmethoden – insbesondere zwischen der Oakland Family und der Kirche in New York – herrschten bis in die achtziger Jahre vor und verursachten nicht nur innerkirchliche Irritationen.

Insgesamt hätten auf die amerikanische Vereinigungskirche Anfang 1972 kaum Bezeichnungen wie einsatzkräftig oder organisiert gepaßt. Wo in der Anfangsphase der koreanischen Kirche ein gut Teil Intellektuelle und Führungskräfte eingetreten waren, waren profilierte Persönlichkeiten in den USA dünn gesät. Wie Rev. Moon später wiederholt ausdrückte, mangelte es unter den westlichen Anhängern an charismatischen Persönlichkeiten, die die Botschaft der Kirche als Prediger eindrucksvoll hätten vermitteln können. Reverend Moon bemühte sich nach Kräften, in der Kirche eine Struktur aufzubauen, die die bevorstehenden Missionskampagnen bewältigen konnte. Er fragte, "was können wir den Menschen geben? Wir müssen ihnen innere Wahrheit geben – Nahrung für den Geist. Für diese drei Jahre gebe ich diese Geistesnahrung, die Wahrheit, persönlich aus. Dies ist die erste Erfahrung öffentlicher Ansprachen in meinem Leben."

Selbstverständlich hatte Sun Myung Moon in Korea eine Vielzahl von Predigten an die Kirchenmitglieder gerichtet. Doch für Vorträge vor erstmaligen Zuhörern hatte sich die Zusammenarbeit mit anderen, meist Hyo Won Eu, sehr bewährt. Hingegen hatte schon der junge Sun Myung Moon um 1940 Passanten in Seoul mit seinen intensiven Straßenpredigten so in Bestürzung versetzt, daß sie wegrannten. Verstellung war ihm fremd und das Lächeln mußte er damals – nach den Jahren des geistigen Kampfes – vor dem Spiegel üben. Nun, in Amerika mußte er notgedrungen selbst vor der allgemeinen Öffentlichkeit sprechen, zusätzlich behindert durch die Notwendigkeit, einen Übersetzer einzuschalten. Daß er sich dieses Handicaps schmerzlich bewußt war, drückte er in seiner Ansprache Gottes Hoffnung für den Menschen am 20. Oktober 1973 so aus: "Weil wir verschiedene Sprachen verwenden, bin ich, aus Ihrer Perspektive gesehen, stumm, obwohl ich sprechen kann. Und aus meiner Sicht sind Sie, obwohl Sie hören können, taub. Um dieses Stummsein und diese Taubheit zu korrigieren, brauchen wir den hier neben mir stehenden Mann als Übersetzer. Doch wie Sie wissen, ist die Übersetzung aus einer Sprache in eine andere kein einfaches Unterfangen. Daher ist dieser Mann neben mir wirklich auf Ihr mitfühlendes Verständnis angewisen."

Um die geplanten Missionskampagnen personell durchstehen zu können, wurden zusätzliche Einsatzkräfte aus der jungen europäischen Kirche herbeigerufen. Sie wurden von Reverend Moon willkommen geheißen, der sie anspornte: "Wir schaffen hier etwas historisch neues – Menschen aus 10 Nationen finden sich in einem Saal ein und fassen einen gemeinsamen Entschluß." So neu diese Art des Teamwork für die Vereinigungskirche war und so erfolgreich sie in den folgenden Jahren vervollkommnet wurde, die Anfänge waren nicht ohne Schwierigkeiten. Missionare ohne spezielle Ausbildung, meist zwischen 20 und 25 Jahre alt, luden nun in amerikanischen Städten zu den Ansprachen eines koreanischen Predigers ein, dessen ungewöhnliche Gestik und außergewöhnliche Botschaft durch einen anderen Koreaner - Dr. Bo Hi Pak - übersetzt wurden.

Es ist erstaunlich, daß die ersten Missionskampagnen trotz solcher Handicaps beachtliche Erfolge verzeichneten. In vielen Städten und Bundesstaaten wurde Rev. Moon mit Dokumenten, Deklarationen und der symbolischen Übergabe der Stadtschlüssel geehrt. In den Ansprachen mit Titeln wie Gottes Hoffnung für Amerika oder Die Zukunft des Christentums widersprach Reverend Moon der christlichen Ansicht, Jesus sei von Gott gesandt worden, um am Kreuz zu sterben. Rev. Moon sprach über die Konfrontation mit dem Atheismus und die Bedrohung durch Unmoral, moralische Beliebigkeit und extremen Individualismus. Er beschwor die Amerikaner, ihrer historischen Berufung zu folgen und appellierte an seine Zuhörer, seine Worte nicht einfach in den Wind zu schlagen: "Ich bitte Sie inständig…, sich zu vergegenwärtigen, daß keines meiner Worte meine persönlichen Gefühle zum Thema hat. Ich spreche einzig und allein im Interesse der Wahrheit. Die Wahrheit zu bezeugen, ist mitunter ein unangenehmes Unterfangen. Doch es ist ein Auftrag, den zu erfüllen ich verpflichtet bin." Die Medien berichteten ohne Feindschaft über die ungewöhnlichen Ansprachen, und einfache Bürger wie Volksvertreter kamen, um Rev. Moon zu treffen.

Der ambitionierte Plan, 1972 in sieben, 1973 in 21 und 1974 in insgesamt 40 Städten Vorträge zu organisieren, wurde geschafft. Die erste Kampagne des Sommers 1974 erstreckte sich auf 32 Städte, mit einem Bankett und einer Ansprache pro Stadt. Die 64 Veranstaltungen wurden in ununterbrochener Folge durchgeführt. Drei Teams waren mit den Vorbereitungen beschäftigt, jedes zog mit einem Troß aus Bussen und Wohnwagen über Land und hatte ein paar Tage, um die Räumlichkeiten vorzubereiten, Einladungen auszusprechen, eine PR-Aktion durchzuführen. Am Ende des Sommers versammelten die Teams sich in New York City für den Auftakt einer weiteren Tour durch acht Städte. Bei dieser Auftaktveranstaltung, der Madison Square Garden Kampagne, waren sie so in Fahrt, daß sie ihr Ziel übererfüllten. Zur Veranstaltung am 18. September kamen weit mehr Zuhörer, als in der 25 000 Personen fassenden Großhalle Platz hatten. Die Rede "Die neue Zukunft des Christentums" faßte die unifikatorischen Standpunkte zur Mission Jesu und zur Wiederkunft Christi Christi zusammen und gipfelte in der Aussage: "Gott… wird diese Welt nicht aufgeben. Sie sollte Sein Reich sein, und sie wird es sein. Auch diese Stadt New York wird Sein Reich sein. Sie können Bürger des himmlischen Reiches werden, wenn Sie dem kommenden Messias begegnen. Er ist die Hoffnung für Sie, für mich und die einzige Hoffnung für Amerika und die Welt." Der Name Rev. Moon war ein Begriff.

Wollte man die großen Missionstouren mit den Centercourt Begegnungen eines Wimbledonturniers vergleichen, so gab es noch wichtige und kräftezehrende Spiele auf den angrenzenden Plätzen. 1972 wurde für den wertorientierten Dialog unter Wissenschaftlern die Internationale Konferenz für die Einheit der Wissenschaften begründet, seither eine regelmäßige Einrichtung im unifikatorischen Konferenzprogramm. 1973 folgte die Gründung der Professors World Peace Academy (PWPA). Vorübergehende Ergänzungen dazu waren International Leadership Seminare, zu denen ab 1973 europäische Studenten eingeladen wurden, und akademische Programme der unifikatorischen Studentenvereinigung CARP. Zwischen 1972 und 1974 wurden des weiteren ein Schulungs- und Begegnungszentrum mit parkartigem Gelände, eine nahegelegene Villa (Wohnhaus der Familie Moon und Ort unzähliger Konsultationen) und der Campus einer theologischen Seminarstätte erworben, alle upstate New York gelegen, sprich ein paar Stunden von der City entfernt. Auch wurden legale, aber bald in der Öffentlichkeit als anstößig verschriene Methoden der Finanzierung entwickelt, das sogenannte Fundraising.