Die Vereinigungsprinzipien

Kapitel 1:
DAS PRINZIP DER SCHÖPFUNG

Unser erstes Thema ist das Wesen Gottes. Mit einem klaren Verständnis des Wesens Gottes sowie Seines Verhältnisses zum Menschen und zur Schöpfung lassen sich die grundlegenden Fragen des Lebens beantworten. Doch wie sollen wir unsere Suche nach Gott beginnen?

Wir werden dieselbe Methode, mit der wir einen Menschen kennenlernen, auch bei der Suche nach einem tieferen Verständnis des Wesens Gottes anwenden. Es gibt drei Arten, jemanden kennenzulernen: Zum ersten können wir mit der Person selbst zusammentreffen und Erfahrungen austauschen. Oder wir können durch einen Dritten, einen gemeinsamen Freund oder einen schriftlichen Bericht, etwas über eine bestimmte Person erfahren. Die dritte Möglichkeit besteht darin, das zu studieren, was diese Person geschaffen hat. Ein Musikstück von Beethoven oder eine Ballade von Schiller geben einen verlässlichen Einblick in die Persönlichkeit dieser beiden Künstler.

Wir können also diese drei Methoden anwenden, um das Wesen Gottes kennenzulernen:

Die Geschichte hindurch haben viele Menschen persönliche Erfahrungen mit Gott bezeugt. Solche Erlebnisse entsprechen der ersten Möglichkeit, Gott kennen zulernen. Der Theologe Thomas von Aquin war überzeugt, dass seine gesamten Schriften nicht mehr wert seien als Stroh - verglichen mit der Liebe und Kraft Gottes, die er in einem direkten Erlebnis gegen Ende seines Lebens erfahren hatte. Der persönliche Kontakt mit dem Allmächtigen gibt zahllosen Menschen auf der ganzen Welt Stärke. Das alles sind Beispiele für die erste Art, Gott zu erkennen.

Die zweite Methode ist weiter verbreitet. Wir können Gott durch persönliche Zeugnisse oder Schriften von Menschen, die ihn selbst erlebt haben, kennenlernen. Die meisten Leute anerkennen, dass ein zentraler Wert religiöser Schriften darin liegt, das Wesen Gottes zu offenbaren. Eine der wichtigsten Aufgaben von Geistlichen und Missionaren ist es daher, den Menschen auf diesem zweiten Weg zu einem Gottesverständnis zu verhelfen.

Wenn wir Gott durch das Wort studieren, so erkennen wir, dass nicht die Schrift Gott selbst ist, sondern dass die Schriften von Gott und seinem Volk handeln - und dass sie von Gott inspiriert, aber von Menschen geschrieben sind. Jede tiefe Offenbarung über Gott, die wir aus der Schrift erhalten, kommt nicht nur durch unser eigenes intellektuelles Bemühen zustande, sondern vor allem durch persönlichen Kontakt zum Geist Gottes.

Auf die dritte Weise können wir das Wesen Gottes durch das Studium seiner Schöpfung erkennen. Die Schöpfung ist nicht Gott selbst, aber sie ist Ausdruck Gottes. Durch persönliche Erfahrung und Wissen über die Schöpfung - zusammen mit Erleuchtung durch den Geist Gottes - können wir unser Verständnis Gottes vertiefen. Die Erklärungen im Prinzip der Schöpfung beruhen hauptsächlich auf dieser Methode, das Wesen Gottes kennenzulernen.

Die Beziehung zwischen Gott und Schöpfung ist vergleichbar mit der Beziehung zwischen einem Künstler und seinem Werk. Obwohl die Dimensionen unver gleichlich grösser sind, so ist doch das Prinzip dahinter dasselbe. Alles, was sich in der Schöpfung ausdrückt, muss auch Teil der Persönlichkeit des Künstlers sein. Kein geschaffenes Werk kann etwas ausdrücken, das nicht schon in seinem Schöpfer vorhanden ist. Unsere Erkundung des Wesens Gottes fusst hauptsächlich auf diesem "Prinzip der Widerspiegelung."

In einem Gemälde spiegeln sich Gefühl, Verstand und Willen des Künstlers wider. In der Natur und in uns selbst finden wir Gefühl, Verstand und Willen Gottes. Wir kommen daher zu demselben Schluss wie der Apostel Paulus: "Seit Erschaffung der Welt wird seine unsichtbare Wirklichkeit an den Werken der Schöpfung mit der Vernunft wahrgenommen, seine ewige Macht und Gottheit." (Röm 1,20).

Unser Studium der Schöpfung beginnt mit einer Selbstbetrachtung.

Wie geht ein Schöpfungsakt vor sich?

Um etwas zu schaffen, sind zwei Faktoren notwendig. Der erste ist geistiger Natur: wir brauchen eine Idee für unsere Schöpfung. Der zweite ist physisch: wir brauchen Materialien und Energie, mit deren Hilfe wir diese Materialien gestalten.

Jedes Ergebnis unserer Anstrengung spiegelt diese beiden Voraussetzungen wider. Wenn ich eine Kiste herstelle, so entsteht sie nicht einfach nur aus Holz und Nägeln, sondern ich verbinde die Teile nach einem bestimmten Plan. Holz und Nägel der Kiste bezeichnen wir als äussere Form und den Plan oder die Idee als ihr inneres Wesen.

Jedes Ding in der Schöpfung besteht aus äusserer Form und innerem Wesen. Allerdings ist der Plan, der dieser Welt zugrundeliegt, so komplex, dass wir erst im 20. Jahrhundert begonnen haben, ihn allmählich zu verstehen. Die Idee, die hinter der Schöpfung steckt, muss von irgendwo herkommen, sie muss einen Ursprung haben, der weit über die menschliche Intelligenz hinausgeht. Diesen Ursprung bezeichnen wir als Gott.

Gott, der die Schöpfung hervorbrachte, muss der Ursprung der inneren Wesenheiten und äusseren Formen aller Dinge sein. Darum muss Gott selbst ein ursprüngliches inneres Wesen haben, das wir als Gemüt oder Herz bezeichnen, und eine ursprüngliche äussere Form, die wir Energie nennen.

Wie die moderne Physik entdeckt hat, ist Energie in Materie umwandelbar und umgekehrt. Materie besteht aus Energie. Daher ist die stoffliche Welt eine umgewandelte Form der Energie - letztlich also der ursprünglichen Energie Gottes. Doch ebenso wie das Material einer Kiste nur Träger und Ausdrucksmittel des inneren Wesens des Herstellers ist, so drückt auch die ganze Schöpfung - als Mittel - das innere Wesen Gottes aus. Was zeigt sich uns also? Wenn das, was wir suchen, von Gott stammt und Gott der Schöpfer aller Dinge ist, so muss das Wesen Gottes, nach dem wir suchen, in gewissem Mass überall vorhanden sein.

Wir haben bereits erwähnt, dass inneres Wesen und äussere Form als Aspekte, die wir überall vorfinden, Gottes Wesenszüge widerspiegeln. Konkret gesprochen, gibt es physikalische und chemische Gesetze, die die äusseren Formen von Teilchen, Atomen und Molekülen bestimmten. Die Gravitationsgesetze bestimmen die Flugbahnen der Planeten und Sterne. Pflanzen haben ein "biologisches Gemüt", das ihr Wachstum lenkt. Tiere besitzen einen Instinkt. Wir Menschen haben ein Gemüt, das sich in Gefühl, Verstand und Willen äussert. Darum sind sowohl inneres Wesen als auch äussere Form Grundaspekte aller existierenden Dinge.

Alle existierenden Wesen und Dinge haben ein inneres Wesen und eine äussere Form. Sie reflektieren das Wesen Gottes.

Ein zweites universelles Wesensmerkmal ist die Polarität von Maskulinität (Männlichkeit) und Femininität (Weiblichkeit). Diese wurde schon vor langer Zeit im hinduistischen und buddhistischen Gedankengut erkannt und in der chinesisch- ostasiatischen Philosophie als Yin-Yang-Prinzip bezeichnet. Auch die Bibel weist darauf hin, dass der Mensch als Ebenbild Gottes männlich und weiblich geschaffen wurde (Gen 1,27).

Alle Geschöpfe tragen männliche und weibliche Wesenszüge als einander ergänzende Elemente in sich. Das alte chinesische I GING oder "Buch der Wandlungen" erklärte alle Vorgänge des Lebens aus der Sicht der Wechselwirkung dieser beiden Kräfte. Dem Prinzip der Schöpfung zufolge sind Maskulinität und Femininität sekundäre Wesensmerkmale Gottes, während die Polarität von innerem Wesen und äusserer Form primär ist.

Genauso wie die Aspekte von innerem Wesen und äusserer Form, existieren in Gott und in der gesamten Schöpfung auch die Aspekte von Maskulinität und Femininität. Darum gilt unsere Aufmerksamkeit vor allem der Entdeckung der Eigenschaften des inneren Wesens Gottes. Welche universellen inneren Eigenschaften sind überall in der Schöpfung sichtbar?

Zum einen finden wir Ordnung, Gesetz und Prinzip. Das Universum wurde nach bestimmten Gesetzen und mathematischen Mustern geschaffen. Dies muss eine Widerspiegelung eines Aspektes des Wesens Gottes sein - dem von Ordnung, Gesetz und Prinzip. Seinem ursprünglichen Ideal zufolge entwickelt sich das Universum nach bestimmten Prinzipien. Die altehrwürdige Thora in der jüdischen Tradition, sowie das "Wort" oder der Logos in der griechischen Philosophie und in der christlichen Tradition bezeugen diese ursprünglichen Prinzipien.

Zum anderen ist Schönheit eine Grundeigenschaft der Schöpfung. Wir finden Harmonie, Eleganz, Einfachheit, Rhythmik, Spannung, Höhepunkt und Entspannung. Auch dies reflektiert einen Aspekt des Wesens Gottes: jenen, der nach Schönheit strebt und sie hervorbringt.

Ausserdem stellen wir fest, dass jeder Teil der Schöpfung dem Ganzen dient. Diese Aussage ist auch unsere vorläufige Definition des Guten: In Gottes Sicht ist alles, was er geschaffen hat, gut (Gen 1).

Schliesslich sehen wir in der ganzen Schöpfung einen Ausdruck von Liebe. Nach unserem Begriff ist "Liebe" - im weitesten Sinn - das Streben aller Dinge und Wesen nach Vereinigung mit ihrem ergänzenden Gegenüber. Auf der einfachsten Ebene finden wir "Liebe" als Vorgang von Geben und Empfangen ausgedrückt. Auf diese Art bilden Protonen und Elektronen ein Atom, Atome verbinden sich zu Molekülen, Moleküle bilden z.B. Eiweissstoffe und andere Bestandteile lebender Organismen.

Im Frühling ist die ganze Erde eine Symphonie der Liebe aus vielfältigen Wechselbeziehungen zwischen Pflanzen und Tieren. Doch die vollkommenste Ausdrucksweise der Liebe finden wir in uns selbst. Dies ist deshalb so, weil wir Menschen die Liebe bewusst erleben. Aufgrund dieses Bewusstseins können wir selbst unsere Fähigkeit zu lieben entwickeln und dadurch grosse Freude erleben. Dies eröffnet eine ganz neue Dimension in der Schöpfung.

Wir sind die Kinder des Schöpfers. Ein Kind ist Ebenbild der Eltern, die Verkörperung ihrer Liebe, ihres Lebens und ihres Ideals. Dem entspricht auch unsere Beziehung zu Gott. Wir sollten Seine Liebe verkörpern, Sein Leben und Sein Ideal.

Ebenbild Gottes zu sein, bedeutet nicht nur, Seine Ordnung und Gesetze am vollkommensten auszudrücken, sondern dass auch wir selbst Ordnung, Gesetze und Prinzipien schaffen. Es bedeutet nicht nur, dass wir Gottes schönstes Werk darstellen, sondern selbst nach Schönheit streben und sie verwirklichen; nicht nur, dass wir der grösste Ausdruck seiner Liebe sind, sondern dass wir selbst nach Liebe streben, sie erwidern und verschenken.

Ebenso wie Gott einzigartiger Schöpfer ist, so sind auch wir einzigartige Schöpfer. Ebenso wie Gott Person ist, so sind auch wir Personen. Ebenso wie Gott das Zentrum des Makrokosmos ist, so steht jeder von uns im Zentrum eines Mikrokosmos.

Motivation und Freude

Bisher wurde ein entscheidender Faktor im Schöpfungsakt noch nicht erwähnt: die Motivation, die dahintersteht. Unserer Ansicht nach ist der Ursprung aller Wünsche die Sehnsucht nach Freude. Wir setzen Handlungen, von denen wir uns Freude als Resultat erhoffen. Wie entsteht aber Freude?

Freude ist das Ergebnis einer anregenden Wechselbeziehung zwischen uns und einem Gegenüber, das unser eigenes Wesen widerspiegelt und ergänzt. Im selben Mass, in dem uns ein Gegenüber reflektiert, sind wir angeregt, werden wir uns unserer selbst mehr bewusst und empfinden Freude. Wir sind glücklich, wenn wir etwas schaffen, weil wir uns darin selbst wiedererkennen können. Doch diese Art der Freude ist begrenzt, weil unser Werk niemals über die Dimension unserer eigenen Persönlichkeit hinausgehen kann. Wir freuen uns auch durch den Austausch mit der Natur. Eine Blume stimuliert uns durch ihre Farbe, ihre Form und ihren Duft. Trotzdem ist diese Freude begrenzt durch Zeit und Raum der Erscheinung der Blume sowie durch die Begrenztheit der physischen Wahrnehmung.

Durch die Beziehung zu Tieren können wir tiefere Freude erleben, da wir in ihnen mehr von unserem eigenen Wesen widergespiegelt finden. Wir fühlen uns angeregt durch die Würde eines Löwen oder die Treue eines Hundes, da wir darinnen menschliche Wesenszüge sehen. Aber trotzdem ist unsere Freude dadurch noch nicht vollkommen.

Wir sehnen uns nach einem Objekt, das uns völlig reflektiert: geistig und physisch. Diese völlige Widerspiegelung finden wir in einem anderen Menschen. Unsere Gespräche, unser Tanzen, Arbeiten und unser Träumen sind Erlebnisse, die wir mit anderen Menschen gemeinsam erfahren, ausbauen und vermehren können. Wir sind Spiegel füreinander. Durch unsere Mitmenschen kommen Sinn und Freude in unser Leben.

Dennoch sind wir eigenständige Personen, aber auch begrenzte Wesen, und können einander nie vollkommen erkennen. Es muss daher noch eine weitere Dimension geben, in der all unsere Sehnsüchte erfüllt werden. Letztlich sucht jeder nach völligem Einssein und Geborgenheit. Unsere Suche gilt einem Wesen, mit dem wir all unsere Ideale, Gedanken, Träume und Wünsche teilen, dem wir uns ganz anvertraün können. Wir brauchen jemanden, der uns völlig kennt und der uns liebt, so wie wir sind. Diese Liebe ist die Liebe von Eltern. Sie nimmt in unseren eigenen Eltern Gestalt an und ist ewig und vollkommen in Gott lebendig. Alle anderen Arten der Liebe spiegeln die Liebe Gottes wider.

Wir haben bereits festgestellt, dass eine Person etwas schafft, um Freude zu erleben. Dadurch bringen wir Gottes Wesen zum Ausdruck. Auch Gott schuf, um Freude zu erleben. Das zentrale Wesensmerkmal Gottes ist sein liebevolles Herz. Wie gross und allmächtig Gott auch sein mag, sein Herz sehnt sich danach zu lieben und geliebt zu werden. Liebe drängt nach einem Objekt, das das eigene Wesen widerspiegelt. Gott schuf sein eigenes Objekt der Liebe, das nicht nur seine Liebe empfangen sollte, sondern sie auch aktiv und freiwillig erwidert. Gott braucht darum Kinder, die zu reifen Persönlichkeiten heranwachsen und seine Liebe, seine Kreativität und sein elterliches Herz teilen. Wenn Mann und Frau zur Vollkommenheit herangereift sind, so stellen sie die Erfüllung des göttlichen Ideals und damit das Zentrum seiner unbegrenzten Freude dar.

Da aber unser Wesen nicht vollkommen, sondern von vielen Makeln behaftet ist, bereiten wir Gott grossen Kummer (Gen 6,6). Wir reflektieren nicht sein wahres Wesen und sind nicht zu dem geworden, was er sich von uns erwartet hatte. Was war nun Gottes ursprüngliche Absicht für seine Kinder?

Um es uns zu ermöglichen, alle Aspekte des Herzens Gottes zu reflektieren, gab uns Gott drei grosse Segnungen. Diese sind aufgezählt in Gen 1,28: "Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehret euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch, und herrschet über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen".

Die Erfüllung dieser drei Segnungen ist als innerster Kern in allen menschlichen Motivationen enthalten, denn wir erleben, ebenso wie Gott, Freude, wenn die drei Segnungen erfüllt werden. Von unserem Gesichtspunkt aus betrachtet, reflektieren diese drei Segnungen die drei fundamentalsten Arten der Sehnsucht in unserem Leben. Das sind: erstens die Sehnsucht von Menschen beiderlei Geschlechts, Selbstbewusstsein und Integrität zu entwickeln. Zweitens möchten wir mit anderen Menschen Beziehungen eingehen und harmonische Familien errichten. Schliesslich ist es unser Wunsch, schöpferisch zu sein und dadurch unsere einzigartigen Fähigkeiten einzusetzen.

Wir werden nun die Frage behandeln, in welchem Verhältnis diese Sehnsüchte zu Gott stehen und warum die Erfüllung dieser fundamentalen Wünsche auch die Erfüllung der grundlegenden Sehnsucht Gottes bedeutet.

Der erste Segen: Seid fruchtbar!

Vervollkommnung der Individualität

Jeder Mensch sehnt sich nach Reife, Stabilität, Selbstbewusstsein und Selbstver wirklichung. Wir suchen nach immer neuen Erfahrungen, durch die wir reifen können. In welchen geistigen Dimensionen vollzieht sich nun unser Wachstum?

All dieses Streben reflektiert unser Bemühen, zu integren Persönlichkeiten heranzureifen. Da dieses Trachten aus dem ursprünglichen Gemüt jedes Menschen kommt, unterstützen natürlicherweise die Kulturen, die wir schaffen, unser Wachstum zur Vollkommenheit durch Förderung der intellektuellen, emotionellen und moralischen Entwicklung. Dieses individuelle Streben ist auch auf der gesellschaftlichen Ebene zu finden. Wie der Historiker Arnold Toynbee entdeckte, sind die "kulturellen Sphären", die sich im Laufe der menschlichen Geschichte heraus bildeten, auf religiösem Streben aufgebaut und tendieren zu einem vermehrten Ausdruck des menschlichen Potentials. "Die Kulturgeschichte ist die Geschichte des Wachstums des Bewusstseins", sagte der Soziologe Robert Bellak. Das Ziel der Entwicklung der Kulturen kann man einfach als Vollkommenheit bezeichnen.

Wir definieren Vollkommenheit als die völlige Ganzheit der Einzelperson, die aus der Beziehung zur höchsten Quelle der Wahrheit, der Schönheit, der Liebe und des Guten entspringt. Das Resultat einer solchen Ganzheit ist die Fähigkeit zur bedingungslosen Liebe, die keine Gegenleistung fordert. Das bedeutet, aufzugehen in der Liebe zu Gott und zum Mitmenschen. Vollkommenheit heisst nicht, nie mehr den geringsten Fehler zu machen; selbst ein vollkommener Mensch ist begrenzt durch Zeit und Raum und kann Beulen und Abschürfungen davontragen, selbst wenn er die höchsten Ziele anstrebt. Die Vollkommenheit wird nur durch klares, kompromissloses Bemühen um die Erfüllung der höchsten Ideale und des Lebenszweckes erreicht. Daraus erkennen wir, dass unsere Sehnsucht nach Wahrheit, Schönheit, Liebe und dem Guten der tiefste Ausdruck unserer Suche nach Gott ist. Die Suche nach der Erfahrung Gottes ist also das eigentliche Motiv, das jedem menschlichen Verhalten zugrundeliegt.

Wenn eine Person bedingungslos und wahrhaft nach Vervollkommnung strebt, dann wird die Quelle der Vollkommenheit, Gott, mit diesem Menschen sein, und beide werden daraus Freude erleben. Da Gott ewig ist, muss auch Vollkommenheit ewig sein und kann notwendigerweise nie mehr unvollkommen werden.

Unserer Ansicht nach ist es letztlich das Ziel jedes Menschen, Gott ähnlich zu werden. Tatsächlich lehrte uns Jesus: "Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist" (Mt 5,48). Widerspricht dies etwa der Vorstellung, dass der Fall Ergebnis der Sehnsucht des Menschen war, wie Gott zu sein? Nein. Die Sehnsucht nach dem Erreichen von vollkommenheit in völliger Einheit mit Gott ist das höchste Ideal von Mann und Frau. Die Sehnsucht nach Vollkommenheit kann jedoch nicht getrennt von Gott erfüllt werden, sie führt sonst zu Selbstbetrug und Konflikt. Doch die Vollkommenheit im Einklang mit dem Ideal Gottes ist unser vornehmstes Ziel.

Wie entsteht nun aus der Erfüllung des ersten Segens Freude für Gott und Mensch? Es wurde bereits festgestellt, dass Freude durch die Wechselbeziehung mit einem Gegenüber entsteht, das uns selbst widerspiegelt. Gott findet sich selbst in den Menschen und in der ganzen Schöpfung. Daraus folgt, dass die ganze Schöpfung das Potential in sich trägt, Gott Freude zu bereiten, und dass es Gottes Motivation war, durch die Schöpfung Freude zu erleben. Gott schuf uns nach seinem Bild, darum hat unsere Persönlichkeit das Potential, Gottes Persönlichkeit widerzuspiegeln. Gottes Wesen und Persönlichkeit sind grenzenlos und ursächlich, unsere sind begrenzt und gehen aus jenen hervor. Doch innerhalb unserer Welt haben wir die Fähigkeit, Grenzenlosigkeit und Ewigkeit zu erleben sowie schöpferisch zu sein. Gottes grenzenloses Herz schuf das Universum aus völlig gebender Liebe heraus. Unsere ursprüngliche Natur leitet uns dazu an, genauso zu leben und schöpferisch zu handeln. So wie Gottes Idee und Wille seine Energie lenken, so wird die materielle Welt geformt und bearbeitet durch die Ideen und den Willen des Menschen. Jede Materie stammt von der ursprünglichen Energie, und der Zweck aller Dinge ist bestimmt durch das ursprüngliche Herz Gottes. Gott existiert in der harmonischen Einheit dieser beiden unbegrenzten Aspekte, so wie wir aus Geist und Körper bestehen. Wenn wir daher die vollkommene Persönlichkeit eines Menschen sehen, so sehen wir darin Gottes Persönlichkeit. Darum sagte Jesus: "Schon so lange bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt, Philippus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen! Wie kannst du sagen: Zeige uns den Vater?" (Joh 14,9). Jesus war wahrhaftig das fleischgewordene Wort, die Verkörperung der ursprünglichen Idee Gottes. Da dieses Wort (Logos) der Ausdruck der göttlichen Idee ist, bezeichnen wir Jesus als Menschen mit göttlichem Wesen. Doch Gott ist grenzenlos und möchte die Widerspiegelung seines Wesens in unzählig vielen einzigartigen Kindern der Menschheitsfamilie sehen.

Innerhalb jedes Wesens hängt dessen Existenz von der Beziehung zwischen Innerem und Äusserem ab. Um diese Beziehung aufrechtzuerhalten, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein. Die innewohnende lenkende Kraft liegt dabei in der initiativen "Subjekt"-Position und die äussere Form in der erwidernden, anregenden "Objekt"-Position. Das schöpferische Prinzip ist das Prinzip der Anziehung, da beide Teile als ihr höchstes Ziel die Einheit in der Objektposition Gott gegenüber anstreben. Gott ist das letztliche Subjekt. In der Einheit sind Subjekt- und Objektposition aufgrund der vereinigenden Kraft der Liebe Gottes nicht mehr zu unterscheiden. Sie strömt in die Einheit von Subjekt und Objekt, die sein Wesen widerspiegelt.

Unsere Persönlichkeit ist unvollkommen, solange keine Einheit und Harmonie zwischen unserem Geist und unserem Körper herrscht. Unter Geist verstehen wir mehr als bloss den Verstand, der ein äusserer Ausdruck des Geistes ist. Der Geist enthält auch das Gemüt, das sein innerer Aspekt ist. Die Beziehung zwischen Geist und Köper drückt sich in den Worten und Handlungen eines Menschen aus. Wenn dessen Handlungen nicht mit seinen Worten übereinstimmen, so bezeichnen wir ihn als Menschen mit schwachem Charakter. Wenn der Geist seine subjektive Stellung verliert, verliert die ganze Persönlichkeit an Ausgewogenheit. Oft wird die Handlungsweise einer Person entgegen dem besseren Wissen des Geistes von physischen Sehnsüchten bestimmt. Solche Handlungen führen zu Instabilität und Unglück, da sie einer Verzerrung unserer ursprünglichen Natur entspringen. Eine solche Verzerrung zerstört die Harmonie mit Gott, mit der Schöpfung und in uns selbst. Wenn wir nur an unsere physische Existenz denken, so neigen wir zu egoistischem Verhalten. Darin sehen wir ein Problem der gegenwärtigen Situation des Menschen.

Ein Mensch, dessen Geist-Körper-Beziehung vollkommen im Einklang mit Gott steht, ist das Modell für unser Leben. Jesus war so ein Mensch. Er sagte: "Amen, amen, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, wenn er den Vater etwas tun sieht. Was nämlich der Vater tut, das tut in gleicher Weise der Sohn" (Joh 5,19). Wenn wir Gott durch den Messias annehmen und ihm folgen, so beginnen wir dadurch mit der Gestaltung unserer wahren Geist-Körper-Beziehung.

Durch die Beziehung von Geist und Körper wird jede einzelne unserer Bewegungen koordiniert, aber am wichtigsten ist die Qualität unseres Charakters. Jesus war vollkommen, was die Einheit seiner Worte und Taten betrifft.

Gott und Mensch, beide empfinden Freude, wenn wir diese Ebene der individuellen Vollkommenheit und Reife erreichen. Das ist der Sinn dessen, was wir als den ersten Segen bezeichnen, den Gott uns gab: "fruchtbar" zu sein. Fruchtbarkeit in diesem Sinne bedeutet Reife, so wie man auch die Reife eines Baumes daran feststellt, dass er Früchte trägt. Dies ist ein Segen, da wir aus dessen Erfüllung grösste Freude erleben. Dieser Segen ist der erste und wichtigste Schritt zur Erfüllung von Gottes gesamtem Zweck für Mann und Frau.

Der zweite Segen: Vermehret euch!

Vervollkommnung der Familie

Auf der Grundlage des ersten Segens gibt Gott den zweiten Segen. Hier geht es um die Familie. Die dynamischsten und erfüllendsten Beziehungen zwischen Menschen sind jene in der Familie, zwischen Mann, Frau und Kind. Eine Familie beginnt mit einem Mann und einer Frau zu existieren, die im wechselseitigen Geben und Nehmen als physisch und geistig sich ergänzende Wesen grosse Freude erleben. In der wahren ehelichen Liebe bilden Maskulinität und Femininität, sowie Geist und Körper eine vollständige Einheit. Gott sieht sein völliges Ebenbild nicht im Mann alleine und nicht in der Frau alleine, sondern in der Einheit von Mann und Frau.

Die Sehnsucht nach Ehe und Familienbeziehungen ist jedem Menschen angeboren, und es bereitet grosse Freude, wenn diese Sehnsucht in Erfüllung geht. Warum? Die Ursache liegt darin, dass in der Familie die stärkste Anziehung der maskulinen und femininen Aspekte Gottes besteht. Die Vervollkommnung der geistigen und physischen Liebe, in der Mann und Frau sich selbstlos verschenken, ist für die Errichtung des Reiches Gottes auf Erden von essentieller Bedeutung. Aus dieser Beziehung entspringt eine neue Generation, da in der Schöpfung eines Kindes die Liebe der Eltern Gestalt annimmt. Wir bezeichnen die vollkommene Beziehung zwischen Gott, Mann, Frau und Kind als Vier-Positionen-Fundament.

Da wir die meiste Freude aus dem erleben, was uns am meisten entspricht, empfinden Eltern durch ihr eigenes Kind unvergleichliche Freude. Das Kind wird mit physischen und geistigen Wesenszügen geboren, die den Eltern ähneln. Für Mutter und Vater bedeutet die Entwicklung des Kindes unter ihrer Fürsorge und Führung sowohl Freude als auch eine verantwortungsvolle Aufgabe. Wenn diese Fürsorge und Führung auf Wahrheit, Schönheit, Liebe und Güte beruhen, wird das Kind eine gute Ausgangsbasis zum Erreichen der persönlichen Vollkommenheit haben. In diesem Sinn stehen die Eltern für das Kind in der Position Gottes. Für das Kind ist die Grundlage zum Verständnis der Liebe Gottes die direkte Erfahrung der Liebe seiner Eltern.

Die Sehnsucht nach einem erfüllten Familienleben entspricht dem zweiten Segen Gottes. Die wahre Erfuellung dieses Segens wuerde den Menschen Zufriedenheit und Freude geben. Sie wuerde sich ueber die Familienebene hinaus auf die Gesellschaft, die Nation und schliesslich die Welt ausbreiten. Das "Vier-Positionen-Fundament" ist also die grundlegende Einheit des menschlichen Lebens. Die Qualität der Beziehun gen in der Familie bestimmt die Qualität der Beziehungen auch auf allen höheren Ebenen.

Das Herz Gottes kann sich in der Familie am vollständigsten ausdruecken. In ihr wirkt die Liebe in drei Aspekten. Die Liebe des Kindes erscheint als kindliche Anhänglichkeit, die gegenseitige Liebe zwischen Mann und Frau als eheliche Treue sowie als geschwisterliche Liebe. Schliesslich finden wir die elterliche Liebe, die Liebe Gottes, ausgedrueckt im liebevollen Erziehen der Kinder. Diese drei Arten der Liebe, die miteinander eng verbunden sind, vergrössern das Glueck und die Freude jedes Menschen, der davon beruehrt wird.

Wenn die Liebe der Eltern Gott zum Mittelpunkt hat, so werden sie dadurch zu Wahren Eltern. Gott selbst ist in einer solchen Familie gegenwärtig. Dies ist die Grundlage fuer selbstlose Beziehungen zwischen Menschen in allen Bereichen der Gesellschaft, sei es Politik, Kultur oder Wirtschaft. Die auf Gott ausgerichtete Familie ist daher das Fundament fuer eine harmonische, friedvolle Welt.

Wenn aber Gott in die Familie nicht einbezogen ist, dann wird es fuer die Kinder schwierig sein, ihn zu verstehen und zu erleben. Das Resultat ist in diesem Fall die Trennung von Gott auf allen Ebenen der Gesellschaft. Darum ist die Vervollkomm nung der Familie der Schluessel fuer die Lösung der Probleme in der Welt.

Heute sind viele Menschen von ihrer Familie enttäuscht. Die Zahl der Ehescheidungen, Abtreibungen und Kindesmisshandlungen steigt. Die Rollen von Vater und Mutter haben viel von ihrem urspruenglichen Wert verloren. Der Sehnsucht von Mann und Frau nach Ehe und Familienleben wirkt eine weitverbreitete Perversion dieser Beziehungen in unserer Gesellschaft entgegen. Dies verursacht bei vielen Menschen ein Gefuehl von Unsicherheit, Pessimismus, ja sogar Zynismus ueber den Wert der Familie, was letztlich zu einem Zerfall in allen Bereichen der Gesellschaft fuehrt. Die Wurzel des Problems liegt in der Tatsache, dass wir unsere Kinder zur Reife erziehen wollen, ohne aber selbst die vollkommene Reife erreicht zu haben. Wir sind nicht in der Lage, unseren Kindern den wahren Wertmassstab zu zeigen. Sie wachsen heran und leben nach dem mangelhaften Vorbild ihrer eigenen Familien, und so wiederholen sich die Probleme von selbst. Darum sind wir der Ueberzeugung, dass wir den Messias nicht nur dazu brauchen, damit er uns zur persönlichen Vollkommenheit fuehrt, d.h. zur Erfuellung des ersten Segens, sondern dass er auch Wegweiser ist zur Vollkommenheit in unserer Ehe und zur Erfuellung unserer familiären Verantwortung.

Wir wollen noch einmal zu der fundamentalen Polarität von Maskulinität und Femininität zurueckkehren. In manchen Fällen ist diese Polarität nicht so sichtbar ausgeprägt wie männlich-weiblich, Proton-Elektron oder Staubgefäss-Stempel. Trotzdem muss selbst in der kompliziertesten Kategorie der geschaffenen Welt eine bipolare Beziehung vorhanden sein, die die Existenz, Dynamik und Fortpflanzung ermöglicht. Gott hat männliche und weibliche Aspekte und ist deren harmonisches Ganzes. Darum streben in der ganzen Schöpfung Maskulinität und Femininität zur Einheit hin.

Gott ist Eltern aller Menschen. Demnach sind wir seine Kinder und Abbilder seiner männlichen und weiblichen Aspekte. Das enge Eltern-Kind-Verhältnis offenbart uns einen Gott, dessen Liebe so tief ist, dass er niemals seine Schöpfung oder seine Kinder vernichten wuerde. Wenn Gott durch die Beziehung eines reifen Mannes und einer reifen Frau Harmonie erlebt, so sieht er darin sein eigenes Wesen ausgedrueckt. Gott empfindet dann wie Eltern oder Grosseltern, die auf ihre Kinder oder Enkel stolz sind. Die Familie ist das vollständigste Bild Gottes in unserer Welt, und sie ist auch der Grundbaustein fuer das Reich Gottes auf Erden.

Die vollkommene Frau stellt die Gesamtheit aller weiblichen Aspekte der Schöpfung dar, und der vollkommene Mann umfasst alle männlichen Aspekte der Schöpfung. Deshalb ist ihre Einheit in der Ehe der Brennpunkt des Kosmos und der Beruehrungspunkt Gottes mit der physischen Welt. Das ganze Universum harmoniert mit Mann und Frau und selbst Gott schenkt sich ihnen. Genau an diesem Punkt findet die physische und geistige Empfängnis des Kindes statt. So ist dieser neue Mensch auch ein Kind Gottes. Darum erleben Gott und Mensch Freude, wenn sie gemeinsam zu Schöpfern eines neuen menschlichen Wesens werden.

Diese Vermehrung von Leben, Liebe und Freude ist die Erfuellung des zweiten Segens. Auf dem Fundament und nach dem Muster der vollkommenen Familie erfolgt die Entwicklung zur Gesellschaft, Nation und Weltbevölkerung. Liebe, Vertrauen, Verantwortungsbewusstsein und Freiheit, wie sie in der Familie erlebt werden, bilden die Grundlage fuer moralische und ethische Werte des gesell schaftlichen Lebens in allen menschlichen Institutionen. Somit sollte die Welt eine grosse Familie sein, mit den einen Wahren Eltern, Gott, als Mittelpunkt.

Der dritte Segen: Macht Euch die Erde untertan!

Die Vervollkommnung der Herrschaft

Ein dritter Weg, um Freude zu finden, ist die uns eigene Kreativität, die Sehnsucht, aus unserer Umgebung einen besseren physischen Lebensraum zu schaffen. Auch diese Sehnsucht ist eine Widerspiegelung des Wesens Gottes. Wie Gott die Welt erschaffen hat, so schaffen wir Kunst, Architektur und Handelsgueter. Unsere Erzeugnisse sollten natuerlich unseren Beduerfnissen und Wuenschen entsprechen, ebenso wie die Produkte der Natur unseren Beduerfnissen entsprechen (Gen 1,29). Wie die Fruechte der Erde uns als Nahrung dienen, so sind Luft, Boden und das Klima als unsere Wohnung eingerichtet. Daraus erkennen wir, dass Gott die Welt fuer uns und nach unserem Bild erschaffen hat.

Durch Liebe und Kreativität können wir unsere Umwelt erfassen und gestalten. Diese Herrschaft wird sich als gut erweisen, wenn sie in Einklang mit der Schöpfung ausgeuebt wird.

So finden wir auch Freude in der Schöpfung. Wir finden uns darin wider gespiegelt. Die Schöpfung erfuellt nicht nur unsere physischen Beduerfnisse, sondern auch ein tiefes geistiges Verlangen. Der Plan vom vollkommenen Mann und der vollkommenen Frau ist das Muster fuer die gesamte Schöpfung. Darum sind wir Mikrokosmos der physischen und der geistigen Welt.

Der dritte Segen Gottes, wie wir ihn in Genesis 1,28 finden, bezieht sich auf unsere Herrschaft ueber die Schöpfung. Auf die gleiche Weise, wie wir Gott Freude machen sollten, ist es der Zweck der Schöpfung, uns Freude zu bereiten. Der dritte Segen ist die Berufung des Menschen zur Herrschaft ueber die Schöpfung. Um uns dafuer zu qualifizieren, muessen wir Gottes Standard der Liebe erreichen und fuer die Schöpfung sorgen. Vollkommene Herrschaft ist die natuerliche Handlungsweise des vollkommenen Mannes und der vollkommenen Frau, die mit dem absoluten Massstab der Wahrheit, der Schönheit, der Liebe und des Guten, der auch in der Schöpfung enthalten ist, im Einklang sind. Mann und Frau sollten als Zentrum des Ökosystems das dynamische Gleichgewicht des Erdenhaushaltes aufrechterhalten.

Gott und die geistige Welt sind mit dem physischen Bereich durch Mann und Frau verbunden, da sie die einzigen Geschöpfe sind, die eine geistige und physische Natur haben. Diese Aussage wird weiter unten noch genauer erklärt. Wir ver wirklichen den dritten Segen, wenn wir durch Liebe und Pflege der Umwelt zum harmonischen Zentrum des Kosmos herangereift sind und die Schöpfung in uns zur Vollendung gebracht haben: "Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes" (Röm 8,21).

Viele Leute missbilligen die Vorstellung, dass wir ueber die Schöpfung herrschen sollten. Es ist offensichtlich, dass bisher unsere "Herrschaft" weitgehend in der Zerstörung der Ökosysteme, der Verschwendung, Verschmutzung und dem sinnlosen Missbrauch der Natur und ihrer Produkte bestanden hat. Darum herrscht heute in weiten Kreisen die Ansicht, die Schöpfung sei einem Idealzustand viel näher als der Mensch. Es ist daher einfacher, Gott in der Natur zu sehen als im Mitmenschen. Doch nur der unreife Mensch missbraucht die Umwelt. Die ganze Geschichte hindurch war die Unreife unser Normalzustand. Das muss nicht unbedingt so bleiben. Wenn wir die Reife erreichen, d.h. den ersten Segen erfuellen, werden wir Gottes Absicht und Willen mit der Schöpfung, von der wir selbst ein Teil sind, erkennen und gemeinsam mit Gott eine harmonische, ausgewogene Umgebung schaffen können. Somit werden wir in der Vollkommenheit mit der Schöpfung eins werden. Sie wird uns vieles lehren, und wir werden ihre Schönheit verherrlichen und vergrössern.

Durch die Erfuellung dieses dritten Segens werden Gott, Menscheit und Schöpfung zu einer harmonischen Einheit. Unsere Beziehung zur Schöpfung ist vergleichbar mit der von Geist und Körper nach dem Bilde Gottes. Daraus entsteht Freude sowohl fuer Gott als auch fuer uns und fuer die Schöpfung. Das ganze Universum erklingt in Freude, schwingt im gleichen Rhythmus wie eine Symphonie. Von den Elementarteilchen bis zu den Galaxien bildet alles in und durch Mann und Frau als sinnvolles Ganzes eine Einheit. Dies wäre das Himmelreich auf Erden. Wenn wir diesen Zustand der verantwortungsbewussten Herrschaft ueber die Schöpfung erreichen, können wir in unserem Mitmenschen Gott sogar ausgeprägter sehen als in der Schöpfung. Dies ist der Zustand, wie er urspruenglich sein sollte.

Doch um es noch einmal kurz zusammenzufassen: Wir haben nie wirklich gelernt, Verantwortung zu tragen (erster Segen) und deshalb lieben wir weder den Nächsten wirklich (zweiter Segen) noch die Schöpfung (dritter Segen). Gott reute es, auf der Erde den Menschen gemacht zu haben (Ex 6,6), und die Schöpfung seufzt bis zum heutigen Tag (Röm 8,22). Beide warten darauf, dass wir richtig lieben lernen. Dazu brauchen wir den Messias, der uns den wahren Massstab der Liebe lehrt. In diesem Sinne kann der Messias als "Schöpfer des Universums" bezeichnet werden: "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen" (Joh 1,1-4).

Seine Mission besteht darin, diese Liebe in allen Menschen zu entzuenden, sodass auch wir zu "Herren der Schöpfung" werden. Jesus sagte, dass jene, die an ihn glauben, noch grössere Werke vollbringen wuerden als er (Joh 14,12). Das Himmel reich kommt, wenn jeder Mensch, nicht nur einer, die Ebene der Reife und Vollkommenheit erreicht, die uns Jesus gezeigt hat.

Zusammenfassung der drei Segnungen

Wir erkennen, dass es unser Lebenssinn ist, Gott Freude zu bereiten, indem wir sein Wesen zum Ausdruck bringen. Dies geschieht durch das Erfuellen der drei Segnungen. Daraus entsteht auch Freude fuer uns, da dies unserer inneren Sehnsucht entspricht. Diese ererbten Wuensche sind: die Sehnsucht nach einer harmonischen Beziehung zu Gott (und uns selbst), zu unseren Mitmenschen (zunächst in der Familie) und zur Schöpfung. Jede gegen diese Wuensche gerichtete Handlung verstösst gegen den Zweck, zu dem Gott uns erschaffen hat. Wenn wir daher gegen unser eigenes Wesen handeln, wie wir es bisher so oft getan haben, so ist die Folge davon Zerstörung, Elend, Schmerz und Enttäuschung sowohl fuer uns selbst als auch fuer die anderen.

Ausserdem ist durch diese Ueberlegungen offenbar geworden, dass Gott eine Persönlichkeit hat, Gefuehle und Sehnsuechte. Er empfindet nicht nur Freude, sondern auch Kummer und Schmerz. Wir können sogar sagen, dass Gott um uns weint, da wir nie das erfuellt haben, was er sich von uns erhofft hat.

Trotz dieses Kummers ueber die Situation der Menschheit wird das elterliche Wesen Gottes nie das Bemuehen aufgeben, uns zu erziehen und uns zu fuehren. Zu diesem Zweck offenbart uns Gott seine Wahrheit in dem Mass, in dem wir sie verstehen können. Seine Wahrheit wurde durch viele Propheten und Heilige uebermittelt und wird schliesslich durch die Person des Messias direkt offenbart.

Obwohl der Glaube an einen persönlichen, elterlichen Gott nicht zum ersten Mal in den Vereinigungsprinzipien ausgesprochen wurde, bildet er doch die Kernaussage unseres Gedankengutes. Zusammen mit unserem Verständnis der drei Segnungen ergeben sich neue Schlussfolgerungen ueber unsere Beziehung zu Gott, die in der Bibel ueberlieferten Berichte und die Bedeutung des Lebens Jesu.

Der Vorgang des Gebens und Empfangens

Alles in der Schöpfung existiert in der Beziehung zu anderen Dingen. Diese Beziehung ist die Grundlage fuer den Vorgang des Gebens und Empfangens. Jedes Individuum setzt sich aus kleineren, harmonisch verbundenen Einheiten zusammen und steht selbst als Teil eines grösseren Ganzen in einem harmonischen Verhältnis zu anderen Einheiten. Somit besteht eine Hierarchie in der Schöpfung, die mit den Elementarteilchen beginnt, die im wesentlichen aus Energie bestehen, und schliesslich in der Schönheit und Komplexität des Menschen gipfelt. Alle Beziehungen in dieser Kette beruhen auf dem Vorgang des Gebens und Empfanges. Das zeigt sich darin, wie sich Atome zu Molekuelen verbinden, Molekuele zu organischer Materie; es zeigt sich in der Pflanzen- und Tierökologie, kurz, wo immer wir Existenz, Bewegung oder Vermehrung vorfinden, stossen wir auf das Gesetz des Gebens und Empfangens.

Auch in Gott selbst muss dieses Muster vorhanden sein. Seine urspruenglich vereinten polaren Wesensarten teilen sich, nehmen den Vorgang des Gebens und Empfangens auf, verbinden sich wieder und bilden ein neues Wesen. Diese neue Schöpfung ist in sich wiederum eine Einheit, die das Urbild in Gott widerspiegelt. Diesen Vorgang bezeichnen wir als Prinzip von Ursprung-Teilung-Vereinigung. Er bildet die Grundlage fuer den ewigen Erneuerungsprozess des Lebens und fuer das Vier- Positionen-Fundament.

Der Prozess von Ursprung-Teilung-Vereinigung ist die Grundlage fuer alle Existenz, Bewegung und Vermehrung sowohl in der Natur wie auch in der menschlichen Gesellschaft.

Auch wir wurden als Wesen geschaffen, die in Beziehungen existieren. Damit ein Mensch leben kann, muessen Geist und Körper durch den Vorgang des Gebens und Emfangens verbunden sein. Aus der wechselseitigen Beziehung zwischen Mann und Frau entsteht eine Familie. Das Geben und Empfangen von Familien formt eine Gesellschaft, und so geht es weiter bis zur nationalen und weltweiten Ebene. Durch das Geben, Empfangen und Erwidern werden die einzelnen Teile zu einer Einheit verbunden und bilden ein grösseres Ganzes, wobei sie aber ihre einzigartige Individualität beibehalten. Das harmonische Geben und Empfangen ist der Schluessel fuer die Schaffung einer harmonischen Welt. Wenn es daran fehlt, kommt es zu Kriegen zwischen Nationen, entsteht Uneinigkeit in der Gesellschaft, gehen Ehen in Brueche und treten psychische Probleme bei Einzelpersonen auf.

Wir stellen im Gleichgewicht der Natur auch das Phänomen der Abstossung fest. Beispiele dafuer sind die Abstossung zweier männlicher Tiere oder der positiven Enden zweier Magneten. Obwohl dies dem Prinzip des Gebens und Empfangens zu widersprechen scheint, wird doch die Gesamtharmonie dadurch erhöht. Die Abstossung dient in diesem Fall dem letztlichen Erreichen von Harmonie zwischen Dingen, die einander ergänzen. Daher stossen zwei männliche Tiere einander ab, damit das Territorium etwa gleichmässig aufgeteilt wird und der Fortbestand der Herde gesichert ist. Das Abstossen der positiven Pole bei Magneten ermöglicht die Verbindung des positiven Pols mit einem negativen.

Die Abstossung ermöglicht das eigentliche Gleichgewicht in der Schöpfung und kann daher nicht in Zusammenhang gebracht werden mit den menschlichen Kämpfen und Konflikten, die das Gleichgewicht in unserer Welt stören. Die menschlichen Konflikte sind eine Folge unserer unnatuerlichen Selbstsucht. Die natuerlichen Gegensätze zugunsten der Gesamtharmonie in Verbindung zu bringen mit der Gewalttätigkeit und Disharmonie der Menschen, ist ein Fehler der marxistischen Auffassung der menschlichen Geschichte und der menschlichen Beziehungen.

Das Wachstum

Eine Folge des Vorgangs des Gebens und Empfangens ist das Wachstum. Dieses Phänomen verdient besondere Aufmerksamkeit. Es erscheint auf der geistigen und auf der physischen Ebene. Was wir auf der physischen Ebene vom Wachstum direkt wahrnehmen können, hilft uns auch, das Wachstum im geistigen Bereich zu verstehen, das viel schwieriger festzustellen ist.

Das Universum entwickelt sich aufgrund einer komplexen Kette von Ursache-Wirkung-Beziehungen. Immer ist eine Zeitperiode notwendig, nach der das Resultat auf eine Ursache folgt. Sogar das Leben eines Elektrons erfordert Zeit zwischen Ursache und Endresultat. Die Zeitperiode zwischen Ursache und Resultat bezeichnen wir als Wachstumsperiode.

Das Wachstumsprinzip ist eines der fundamentalsten Gesetze der Schöpfung. Es wirkt in jedem Bereich der Schöpfung, vom winzigen Atom bis hin zu den unermesslichen Galaxien.

Die Schöpfung entstand nicht urplötzlich in einem Augenblick, sondern entwickelte sich im Verlauf einer bestimmten Zeitspanne. Die Wissenschaft nimmt an, dass diese Periode einige Milliarden Jahre dauerte. Die Bibel spricht von sechs Tagen, weist aber an anderer Stelle darauf hin, "dass beim Herrn ein Tag wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag sind" (2 Petr 3,8), und anerkennt damit die Relativität der Zeit. Auch die Wissenschaft kann mit dem biblischen Schöpfungs bericht in Einklang gebracht werden, wenn jeder der sechs Tage einen Abschnitt des Wachstums und der Entwicklung von nicht näher bestimmter Dauer entspricht. Die geologischen Zeitalter könnten etwa mit den sechs "Tagen" der Schöpfung verglichen werden.

Wir teilen die Wachstumsperiode bzw. den Prozess der Vollendung in drei Stufen ein.

Die erste Stufe entspricht dem Keimen eines Samens, wenn die Wurzeln zur Ernährung der Pflanzen ausgebildet werden. Sie ist auch vergleichbar mit den ersten sieben Jahren im Leben eines Menschen, wo das Kind die physischen Sinne entwickelt, den Körper beherrschen lernt und auch die Grundlage fuer seine Persönlichkeit und sein Selbstverständnis entwickelt. Dies ist die Phase der Ausbildung unserer "Wurzeln", die Grundlage fuer unser Leben. Wir bezeichnen diese erste Stufe als Gestaltungsstufe der Wachstumsperiode.

Als zweite Stufe betrachten wir jene Zeit, in der eine Pflanze zu spriessen beginnt, Stengel, Halm oder Stamm und die Blätter entwickelt und im wesentlichen ihre Endgestalt annimmt. Dies ist die Stufe, die unmittelbar dem Tragen von Fruechten vorangeht. In groben Zuegen entspricht diese Phase auch dem zweiten Sieben-Jahresabschnitt des menschlichen Lebens, in der unser Körper seine Endgrösse erreicht, und wir unser grundsätzliches Selbstverständnis in der Beziehung zu anderen Menschen und in der Verwirklichung unserer Ziele entwickeln. Sie wird als Wachstumsstufe der Wachstumsperiode bezeichnet.

Die dritte Stufe kann mit der Reife einer Pflanze, dem Hervorbringen von Blueten, Fruechten und Samen verglichen werden. Die Pflanze trachtet danach, sich durch ihre Fruechte fortzupflanzen. Damit vollendet sich der Zyklus des Wachstums. Nur eine reife Pflanze kann einen keimfähigen Samen hervorbringen, der das Potential zur Arterhaltung besitzt. Darin kann man auch in etwa die dritte Siebenjahresperiode im Leben des Menschen sehen. Dies ist die Zeit, die der Pubertät folgt, wenn eine Person nicht nur physisch reif wird, sondern auch bewusst damit beginnt, ihren Charakter zu verfeinern und eine ethische und moralische Haltung sowie die individuelle Persönlichkeit zu kultivieren. Normalerweise sollte der Mensch am Ende dieser Stufe die physische und geistige Reife erlangt haben. Dies ist die Erfuellung des ersten Segens, "fruchtbar" im menschlichen Sinne zu sein. Wir bezeichnen diese letzte Stufe als Vollendungsstufe der Wachstumsperiode. Wenn diese letzte Stufe durchlaufen ist, ist der Kreis des Wachstums geschlossen und kann nun von vorne beginnen.

Wir betrachten diese Vollkommenheit nicht als etwas Statisches. Das Erreichen der Reife nach der Vollendung der drei Phasen des Wachstums ist eigentlich jener Punkt, wo ein Geschöpf beginnt, seinen wahren Zweck zu erfuellen. Wenn ein Baum das Stadium erreicht hat, wo er Fruechte trägt, stirbt er weder ab, noch verbleibt er in diesem Zustand. Jedes Jahr setzt er sein Wachstum weiter fort und bringt immer wieder Fruechte. Eine "fruchtbare Person" engagiert sich ebenfalls fuer immer höhere Zielsetzungen. Diese umfassen die Errichtung einer idealen Familie, Gesellschaft, Nation und Welt durch schöpferisches Handeln und richtigen Umgang mit der Schöpfung. Solche Tätigkeiten erweitern und vertiefen die Persönlichkeit. Wenn wir die individuelle Vollkommenheit erreichen, beginnen wir eigentlich erst, als wahre Kinder Gottes zu leben. Wir wachsen und entwickeln uns immer weiter und lernen unaufhörlich, denn sowohl unser Leben als auch das Universum sind ewig. Die Vollkommenheit ist nicht ein langweiliger Zustand blosser Existenz, sondern ein dynamischer und freudiger, der unser jetziges Vorstellungsvermögen weit uebersteigt.

Wir sehen auch sonst noch die Zahl Drei in Beziehung zum Zustand der Ganzheit oder Vollendung des Lebens. Beispiele dafuer sind die drei Grundfarben, aus denen sich weisses Licht zusammensetzen lässt, oder die materielle Welt, in der höheres Leben auftritt, die drei Aggregatzustände umfasst, gasförmig, fluessig und fest, sowie drei Reiche, das Tier-, das Pflanzen- und das Mineralreich.

Die Zahl Drei hat anscheinend aber auch auf der religiösen Ebene Bedeutung. Die drei Versuchungen Jesu in der Wueste entsprechen einem bis zum äussersten gehenden Versuch Satans, ihn zu besiegen. Eine Art Vollendung gab es während der drei Tage Jesu im Grab zwischen seinem Tod und seiner Auferstehung. Petrus verleugnete Jesus dreimal (Mt 26,69-75) und machte dieses Versagen durch die dreimalige Beteuerung seiner Liebe zu ihm wieder gut (Joh 21,15-17). Es gibt noch eine Reihe weiterer Beispiele dafuer, dass die Zahl Drei Vollkommenheit symbolisiert.

Freiheit und Verantwortung

Wenn wir das Wachstum von Mann und Frau betrachten, so stellen wir fest, dass wir uns nicht automatisch zur geistigen Reife entwickeln, obwohl das Wachstum zur physischen Reife automatisch erfolgt. Physisches Erwachsensein bringt nicht notwendigerweise reife Massstäbe und Standpunkte mit sich.

Bevor wir erfassen können, warum der Mensch nicht wirklich reif ist, muessen wir verstehen, was zum Erreichen der Reife erforderlich ist. Gott sieht in unserem Geist und in unserem Herzen im wesentlichen ein Spiegelbild und er sehnt sich danach, sein vollkommenes Ebenbild zu sehen. Da Gott ein freies Wesen ist, muessen auch wir Freiheit erhalten, damit wir das Potential haben, seine wahren Kinder und seine Mitschöpfer zu sein.

Da wir Freiheit besitzen, tragen wir auch die Verantwortung dafuer, nach den Gesetzen und Prinzipien Gottes zu leben. Dies bezeichnen wir als unseren "Anteil an Verantwortung". Ebenso wie Gott seine eigenen Prinzipien verletzen könnte und sich freiwillig entschlossen hat, es nicht zu tun, so haben auch wir die Freiheit, diese Prinzipien zu verletzen und sollten uns dazu entschliessen, dies nicht zu tun. Gott schränkt freiwillig seine Kraft ein, in die menschlichen Angelegenheiten ein zugreifen, um uns jene Freiheit zu gewähren, die wir zur Erfuellung unserer drei Segnungen brauchen. Genauso sollten auch wir unsere Kraft einschränken, die natuerliche Ordnung der Schöpfung zu verletzen.

In diesem Zusammenhang definieren wir das Gute als Handlung, die in Uebereinstimmung mit den Prinzipien und dem Zweck der Schöpfung vollbracht wird und das Böse als solche Handlung, die in Widerspruch steht zu den Prinzipien und dem Zweck der Schöpfung. Durch gute Handlungen entwickeln wir eine reife Einstellung und ein Bewusstsein der Verpflichtung dem Willen Gottes gegenueber. Wahre Freiheit ist nicht Zuegellosigkeit, sondern sie steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verantwortung.

Der Mensch ist das einzige Geschöpf, das an der eigenen Schöpfung teilnimmt. Da wir als potentielle Ebenbilder Gottes geschaffen wurden, erwartet Gott im Schöpfungsprozess unsere Mitarbeit, damit wir uns als seine wahren Kinder qualifizieren. Wenn wir unsere Verantwortung als Mitschöpfer in Verbindung mit dem Schöpfungsprozess Gottes erfuellen, so haben wir uns damit selbst bestätigt und erwerben damit auch das Vertrauen, dass wir in angemessener Weise fuer unseren Nächsten und fuer die Schöpfung sorgen können. Auf diesem Weg erfuellen wir den ersten Segen und erreichen gleichzeitig die Qualifikation des Herzens fuer den zweiten und dritten Segen. Damit bringen wir mehr zustande, als von irgendeinem anderen Geschöpf zu erwarten ist. Herrschaft der Liebe und Dienst an der Schöpfung sind daher die natuerliche Bestimmung von Mann und Frau.

Wir teilen mit Gott die Verantwortung fuer die Schöpfung, fuer unsere Familien und unsere eigene Persönlichkeit. Gottes Anteil an Verantwortung ist natuerlich unvergleichlich grösser als unserer. Tatsächlich hat alles, was wir erhalten, den Ursprung in Gott. Er wacht stets ueber uns und hilft uns, soweit es ihm im Rahmen der Gesetze und des Herzens möglich ist. Letztlich wartet Gott jedoch als liebevolle Eltern auf unsere Erwiderung, unser kreatives Bemuehen, seinem Weg zu folgen und uns zu seinem Ebenbild zu entwickeln. Diese Bemuehungen erfordern unseren ganzen Einsatz. Ohne diese Anstrengungen wird die Erfuellung von Gottes Plan verhindert. Diese entscheidende Macht in den Händen des Menschen legt Zeugnis ab fuer das grenzenlose Herz und die Liebe Gottes sowie fuer sein Vertrauen in uns.

Wir leben heute deshalb in einer Welt des Leidens, weil wir niemals unseren Anteil an Verantwortung vor Gott erfuellt haben.

Im traditionellen Verständnis kann dieses "Prinzip unserer Verantwortung" verglichen werden mit den Begriffen "Gottes Gnade" und "Gottes Werke". Die Gnade kommt von der Erfuellung der Verantwortung Gottes und spendet geistige und physische Segnungen von einem Ausmass, das weit ueber unseren eigentlichen Verdienst hinausgeht. Diese Segnungen umfassen alles, angefangen von der Liebe, Erleuchtung und Annahme bis hin zur Fruchtbarkeit der Erde. In diesem Sinne kann Gnade als "Werk Gottes" betrachtet werden. Unsere Werke sind unsere freiwillige Erwiderung auf die Gnade Gottes, was eine Wechselwirkung mit der Gnade Gottes bedeutet und somit die Grundlage dafuer bildet, dass wir mehr Segnungen erhalten können.

Die menschlichen Anstrengungen sind, verglichen mit den Bemuehungen Gottes, ungleich kleiner, jedoch in der Welt des Herzens, die die primäre Welt ist, haben die Begriffe "klein" oder "gross" keine Bedeutung. Ein Tautropfen mag ebensoviel Wert besitzen wie ein Wasserfall. Die Qualität des Herzens, nicht die Grösse des Erfolges ist es, was Gott am meisten schätzt.

Da es Gottes grösste Sehnsucht ist, mit seinen Kindern das beglueckende Erlebnis der Liebe zu teilen, ist die Erfuellung des Willens Gottes nur durch unser freiwilliges Mitwirken möglich. Dies ist eine wesentliche Aussage der Vereinigungs-Prinzipien und die Grundlage unserer Interpretation des Werkes der göttlichen Vorsehung in der Geschichte.

Indirekte und direkte Herrschaft

Gott kann nicht bei uns wohnen oder eine direkte Beziehung zu uns haben, während wir noch im Zustand der Unvollkommenheit sind.

Der Grund dafuer liegt darin, dass ein vollkommenes Wesen keinen direkten Bezug haben kann zur Unvollkommenheit, in der sich ein Wesen während des Wachtumsprozesses befindet. Gott kann nur eine indirekte Beziehung zu uns haben durch die Gesetze und Prinzipien der Schöpfung. In dem Masse, wie wir auf diese Prinzipien erwidern, kann er unser Leben fuehren, uns der Gnade und des Segens teilhaftig werden lassen und uns Entwicklungsmöglichkeiten und Anregungen geben. Diesen Zustand bezeichnen wir als "Indirekte Herrschaft Gottes durch die Prinzipien".

Wenn wir einmal Vollkommenheit erreicht haben, kann Gott direkt durch das Herz mit uns in Beziehung treten, da das Herz ueber dem Gesetz steht. In dieser "direkten Herrschaft" wohnt Gott in uns, und sein Leben, seine Liebe und sein Ideal werden eins mit dem unseren. Das innerste Wesen dieser Verbindung ist Liebe. Wenn diese Verbindung einmal hergestellt ist, so kann sie durch nichts mehr zerstört werden, da die Liebe die stärkste Kraft im Universum ist.

Wenn die Vollkommenheit einmal erreicht ist, so kann man sie nie mehr verlieren. Wenn daher einmal die drei Segnungen auf Erden erfuellt sind, so ist damit das Himmelreich, das die direkte Herrschaft Gottes ueber die gesamte Menschheit darstellt, auf ewig errichtet.

In dem biblischen Bericht von Adam und Eva war das Gebot ein Gesetz, das in Verbindung mit den Prinzipien der Schöpfung Gueltigkeit hatte. Es war ihre Verantwortung, dieses Gebot zu befolgen; Gott konnte ihre Folgsamkeit nicht erzwingen. Hätten sie das Gebot gehalten, so hätte sie die natuerliche Kraft der Prinzipien zur Vollkommenheit gefuehrt und die direkte Herrschaft der Liebe hätte die indirekte Herrschaft durch die Prinzipien völlig aufgehoben. Damit wäre das Gebot aufgehoben worden. Dieses Prinzip hat fuer jeden von uns Gueltigkeit. Wir wachsen als Kinder durch Folgsamkeit in Glaube, Hoffnung und Liebe. Wenn wir als Erwachsene die Reife erreichen, sehen wir Gott nicht mehr länger durch einen trueben Spiegel, sondern von Angesicht zu Angesicht (1 Kor 13,12).

Der geistige Bereich

Die Bibel enthält eine Vielzahl von Hinweisen auf die Existenz der geistigen Welt. Sie zeigt uns z.B., dass Gott von der Welt des Geistes aus durch physische Kanäle zu uns Verbindung aufnimmt, wie zum Beispiel einen brennenden Dorn busch, eine Wolke oder eine Feuersäule. Propheten wie Hesekiel und Daniel sprechen von machtvollen geistigen Visionen, und eine solche Vision ist auch Gegenstand des Buches der Geheimen Offenbarung. In den Evangelien lesen wir, wie Jesus mit Mose und Elia sprach, wie die Toten aus den Gräbern auferstanden und wie Engel oft zu Menschen sprachen. In der Apostelgeschichte heisst es, dass der Heilige Geist herabkam und dreitausend Leute so inspirierte, dass jeder die predigenden Apostel in seiner eigenen Muttersprache hörte. In Prediger (Kohelet) 12,7 steht, dass "der Staub auf die Erde zurueckfällt als das, was er war, und der Atem zu Gott zurueckkehrt, der ihn gegeben hat", und Paulus sagt in 1 Kor 15,44: "Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein ueberirdischer Leib. Wenn es einen irdischen Leib gibt, gibt es auch einen ueberirdischen." Heute gibt es ein wachsendes Bemuehen, die Existenz der geistigen Welt, von der die Bibel Zeugnis ablegt, zu erklären und wissenschaftlich zu beweisen.

Bei ihren Versuchen wenden Wissenschaftler physische Methoden an, um geistige Phänomene zu bestätigen, indem sie versuchen, an geistige Dinge in ähnlicher Weise heranzugehen, wie sie an physische Ereignisse herangehen. Wir können jedoch die geistige Welt nicht genauso wahrnehmen, wie wir die physische Welt wahrnehmen, und wir sind auch nicht in der Lage, geistige Phänomene genauso zu kontrollieren wie physische. Darum können uns Experimente, die auf physischen Mitteln und Einrichtungen beruhen, niemals ein gutes Verständnis der geistigen Welt vermitteln. Die geistige Welt ist eine andere Dimension der Realität als die physische; sie in physischen Begriffen erfassen zu versuchen, ist unzulänglich und zwecklos.

Einen Hinweis auf die Existenz der geistigen Dimension finden wir in der Erforschung unseres eigenen Wesens. Man kann nicht wirklich messen, wie gross die Liebesfähigkeit einer Person ist, oder wie kreativ sie ist. Wissenschaftler sind sich im unklaren darueber, worin der Unterschied zwischen unserem Gehirn und unserem Geist besteht.

Ist der Ursprung der Gedanken, Gefuehle und Vorstellungen im Bereich der chemischen Reaktionen zu suchen oder ist er geistiger Natur? Wenn auch Psycholo gen und Neurologen das Verhalten der menschlichen Psyche beschreiben können, so können sie doch ueber ihre Ursache und ihren Ursprung nur Vermutungen anstellen. Bisher war noch niemand in der Lage, das wahre Wesen des Geistes durch die Anwendung von physischen Mitteln alleine festzustellen. Den tiefsten Einblick in das menschliche Bewusstsein vermittelten solche Menschen wie Jesus, Buddha und andere religiöse Fuehrer. Somit kann man sagen, dass es einen Bereich jenseits des Materiellen geben mag; jenen Bereich, auf den solche Fuehrer hinwiesen. Die Wissenschaft hat diesen noch nicht bewiesen, sie hat seine mögliche Existenz aber auch nicht widerlegt. Dies uebersteigt den derzeitigen Rahmen der Wissenschaft.

Dem Prinzip der Polarität entsprechend hat jedes Wesen zwei komplementäre Aspekte. Wir wenden dieses Prinzip beim Kosmos als Ganzes an und stellen fest, dass es demnach eine unsichtbare geistige Welt geben muss, die der sichtbaren physischen Welt entspricht, so wie der unsichtbare Geist des Menschen seinem Körper entspricht. So wie es physische Sinne gibt, so gibt es auch geistige Sinne, durch die wir den geistigen Bereich wahrnehmen. Immer mehr Hinweise werden bekannt, die diese Vorstellung unterstuezen. Gebräuchliche Begriffe fuer die Beschreibung dieser Sinne sind Hellhörigkeit, Hellsehen, Psychokinese, Intuition und andere.

Aufgrund einer mangelhaften Beziehung zwischen unserem Geist und dem Körper sind wir uns unserer physischen Existenz mehr bewusst als unserer geistigen Existenz. Dies hat ein Abstumpfen unserer geistigen Sinne zur Folge. In der urspruenglichen Schöpfung stehen wir aufgrund unserer funktionstuechtigen und offenen geistigen Sinne im Mittelpunkt der geistigen Welt, so wie es mit unseren physischen Sinnen in der physischen Welt der Fall ist. Als Ebenbild Gottes sind wir die einzigen Wesen in der Schöpfung, in denen die physische und die geistige Natur gegenwärtig sind. Daher sind wir die Mittler zwischen den zwei Welten. Durch den vollkommenen Mann und die vollkommene Frau werden die geistigen und die physischen Aspekte der Schöpfung vereint. Die einzige Möglichkeit, durch die Gott direkt mit der Schöpfung auf der physischen Ebene in Beziehung treten kann, ist durch den Menschen. Aus diesem Grund ist unser Versagen im Erreichen der Reife auf dieser Erde ein Hindernis fuer die Beziehung der Schöpfung zu Gott. Wie frueher erklärt wurde, leidet die Schöfung darunter, dass wir nie diese Reife erreicht haben (Röm 8,22). Die Tatsache, dass unsere geistigen Sinne nicht voll entwickelt sind, ist auch die Ursache fuer die Unwissenheit ueber die gesamte Kapazität des Menschen.

Wie die physische Welt im Grunde aus Energie in Form der Materie besteht, so besteht die geistige Welt aus einer anderen Form der Energie. Im Vergleich zur physischen Materie kann man sie sich als leichter, subtiler oder von höherer Frequenz vorstellen. Einen interessanten Einblick in dieses Gebiet gibt die Kirlian- Fotografie, die als Hinweis fuer die Existenz von unsichtbaren Energiefeldern interpretiert wird, die Pflanzen, Tiere und Menschen umgeben.

Die Bibel enthält viele Berichte von Wesen, die Engel genannt werden. Phantastische Vorstellungen ueber deren Aussehen fuehrten dazu, jeder Diskussion ueber ihre Existenz die Glaubwuerdigkeit abzusprechen. Es ist jedoch bemerkenswert, dass alle grossen Religionen bestimmte Vorstellungen ueber die Existenz von Engeln haben. Im mittleren und fernen Osten werden Engel als "Dävas" bezeichnet. Die Mormonen bekennen sich dazu, dass ihr Gruender direkten Kontakt mit einem Engel hatte. Die "Scottish community of Findhorn" kennt Leute, die eine Assoziierung von Dävas mit verschiedenen Pflanzen bezeugen, und ihre Ernte von riesigen Pflanzen aufgrund des Zusammenwirkens mit diesen Dävas legt Zeugnis ab fuer die Triftigkeit ihre Glaubens.

Den Vereinigungsprinzipien entsprechend sind Engel geistige Wesen, die in ihrer Erscheinung uns ähneln, jedoch keine physischen Körper haben. Es ist wahr scheinlich, dass sie vor Erschaffung der Welt erschaffen wurden und als Werkzeug dienten, um die Aufgabe der Schöpfung durchzufuehren. Die Engel agieren als Diener des Menschen und als Boten zwischen Gott und uns. In Genesis 18,10 kam ein Engel zu Abraham und kuendigte ihm an, dass seine Frau Sarah einen Sohn empfangen wuerde. In Matthäus 1,20 erschien Joseph im Traum ein Engel, der ihm sagte, er solle sich nicht scheuen, Maria zur Frau zu nehmen; in Lukas 1,31 verkuendete ein Engel Maria die Empfängnis Jesu. Ein Engel befreite Petrus aus dem Gefängnis (Apg 12,7-10) und in der Geheimen Offenbarung bezeichnet sich ein Engel selbst als Diener (Offb 22,9). In 1 Kor 6,3 sagt Paulus: "Wisst ihr nicht, dass wir ueber Engel richten werden?"

In der Bibel ist von drei bestimmten Engeln die Rede: Luzifer, der Engel des Lichts oder der Wahrheit (Jes 14,12), Michäl, der Engel der Rechtschaffenheit und des Willens (Dan 10,13-21; Judas 9) und Gabriel, der Engel der Verkuendigung und der Schönheit (Dan 8,16; 9,21; Lk 1,19). Diese Engel hatten, da sie Gott am nächsten standen, die Aufgabe, mitzuhelfen bei der Erziehung des Menschen zur Vollkommenheit in der Wahrheit, der Schönheit, dem Guten und der Liebe. Durch die Ausfuehrung dieser Aufgabe sollten auch sie ihre Wachstumsperiode durchlaufen, um sich fuer die Verherrlichung durch Gott zu qualifizieren.

Diese drei Engel werden als Erzengel bezeichnet, im Hinblick auf ihre Position als Häupter ueber eine Vielzahl von geistigen Wesen. Nur die Menschheit kann mehr Liebe von Gott erhalten als die Engel. Wir weisen noch einmal darauf hin, dass wir von Gott so erschaffen wurden, um die Herrschaft ueber den gesamten Kosmos anzutreten, einschliesslich der Engel, indem wir unsere Verantwortung erfuellen.

Das Verhältnis zwischen der physischen und der geistigen Welt

Wir leben durch die Beziehung zwischen unserem Körper und unserem Geist. Der Einfachheit halber bezeichnen wir den Geist von Mann und Frau als "Geistiges Selbst". Das geistige Selbst hat nicht etwa eine vage Form, sondern ähnelt der Form des physischen Körpers. Wie es ein physisches Gemuet gibt, das sich um die Erhaltung der Existenz und um das Wachstum der physischen Form sorgt, so gibt es auch ein geistiges Gemuet, das sich um die Erhaltung der Existenz und das Wachstum des Geistes sorgt. Unser Selbstbewusstsein entspringt dem geistigen Gemuet. Ausserdem ist das geistige Gemuet der potentielle Wohnort Gottes. Somit ist es unser wertvollster Teil, der Ursprung von Gefuehl, Verstand, Wille und unserer Indivi dualität.

Wir vergleichen das geistige Wachstum mit dem physischen Wachstum, das uns eher vertraut ist. Auf der physischen Ebene erkennen wir, dass der Mensch bestimmte Nährstoffe braucht, um leben zu können. Diese sind die eher unbetastbaren Elemente von Luft und Sonnenlicht und die eher betastbaren Elemente von Speise und Trank. Im Stoffwechselvorgang wirken diese Elemente aufeinander ein, um die Existenz, Funktionsfähigkeit und Vermehrung von Zellen zu gewährleisten. Beide Arten von Nährstoffen sind notwendig, ebenso auch ihre dynamische Beziehung innerhalb des Körpers. Wir haben auch ein physisches Gemuet, das das instinktive Verhalten unseres Körpers fuer seine Existenz, Sinneswahrung und seinen Selbstschutz kontrolliert.

Auch das geistige Selbst des Menschen existiert, handelt und wächst durch das Geben und Empfangen bestimmter Nährstoffe. Den betastbaren Elementen entsprechend, die das physische Selbst braucht, verlangt das geistige Selbst "Vitalitätselemente". Vitalitätselemente sind die Nährstoffe, die das geistige Selbst aufgrund der Handlungen des physischen Selbst erhält. Gute Handlungen ergeben gute Vitalitätselemente, böse Handlungen ergeben schädliche Vitalitätselemente. Unsere Handlungen sind die Speisen fuer den Geist. Wie wir fuer Speise und Trank arbeiten muessen, so muessen wir auch fuer gute Vitalitätselemente arbeiten. Normaler weise sind jene Handlungen, die uns die grösste Vitalität geben, solche, die einer aufopfernden Liebe und Mitleid fuer andere entspringen. Jene, die dazu neigen, das geistige Wachstum zu behindern, sind meist Handlungen aus Gier, solche, die zum eigenen Vorteil und auf Kosten anderer geschehen.

Entsprechend dem körperlichen Beduerfnis nach Sonnenschein und Luft braucht der Geist die "Lebenselemente": Gottes Liebe. Wie uns Sonne und Luft frei zur Verfuegung stehen, so ist es auch mit Gottes Liebe. Dies entspricht der elterlichen Liebe, die die Kinder fuer das Wachstum zur Reife brauchen. Das Geben und Empfangen der Vitalitätselemente und der Lebenselemente im geistigen Selbst gewährleistet die Existenz, Handlungsfähigkeit und das Wachstum des Geistes. Böse Handlungen stehen mit Gott nicht in Beziehung; darum fuehren sie zu einer Störung des Lebens des Geistes und zu dessen Verfall. Gute Handlungen bilden gemeinsam mit der Liebe Gottes eine Grundlage fuer ein gutes Geben und Empfangen im Geist und bewirken damit ein Hinwachsen des geistigen Selbst zu Gott (es wird Gott ähnlicher).

Das geistige Selbst versorgt das physische Selbst mit einem "geistigen Element", das ein Produkt der Wechselwirkung zwischen seinem Lebenselement und dem Vitalitätselement ist. Ein gutes geistiges Element bewirkt Freude und Energie fuer den physischen Körper. Ein schlechtes geistiges Element untergräbt unsere Freude und Energie. Darum verzehren egoistische Handlungen letztlich unsere Energie und tragen zu geistiger und physischer Krankheit bei. Gute, selbstlose Handlungen geben unserem Körper mehr Leben und Energie, bessere Gesundheit und Ausstrahlung. Im Wesentlichen drueckt die Miene und das Verhalten von Leuten oft ihren geistigen Zustand aus. Die Miene kann sich ändern, wenn sich die Qualität der Vitalität ändert.

Daraus können wir sehen, warum Gott uns einen physischen Körper gab. Durch den physischen Körper können wir erleben, was Gott erlebt, wenn auch nur im begrenzten Mass. Ausserdem erfolgt die Fortpflanzung des geistigen Selbst nur durch den physischen Körper. Durch unser physisches Leben entwickelt sich das Fundament fuer den Empfang der elterlichen und der kindlichen Liebe. Weiters erfolgt das geistige Wachstum nur durch die Beziehung mit der physischen Welt, und aufgrund der Notwendigkeit der Vitalitätselemente ist der physische Körper fuer das geistige Wachstum erforderlich. Jesus sagte darum: "Ich werde dir die Schluessel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird auch im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird auch im Himmel gelöst sein" (Mt 16,19).

Wenn das physische Selbst stirbt, was ganz natuerlich ist, so ist das geistige Selbst frei, um als lebendes Individuum in der geistigen Welt zu wohnen. Da die physische Empfängnis auch die Empfängnis des neuen geistigen Selbst ist, ist es einem alten Geist unmöglich, in einen neuen physischen Körper zu reinkarnieren.

Wir ernten, was wir während unseres irdischen Lebens gesät haben. Wenn wir einmal in jener Welt sind, ist eine Beziehung zu einer physisch lebenden Person notwendig, um unser geistiges Wachstum zur Vollkommenheit fortsetzen zu können. Durch die Zusammenarbeit mit einer auf Erden lebenden Person kann ein geistiges Selbst in den Genuss kommen, an den Vitalitätselementen jener Person teilzuhaben. Nach einem Bericht von Emmanuel Swedenborg, einem schwedischen Mystiker und Wissenschaftler des 18.Jahrhunderts, ist ein Grossteil unserer täglichen Gedanken tatsächlich Eingebung von geistigen Wesen.

Die "Auferstehung" von Geistwesen erfolgt nach dem eben beschriebenen Prozess. Wir benötigen eine Auferstehung oder Erlösung wegen des geistigen Todes, der eine Folge des Falles des Menschen ist. Geistiger Tod ist nicht der physische Tod, sondern bedeutet die Trennung von der Liebe Gottes. Dieser Tod ist jedoch nicht ewig, denn alle Menschen haben noch immer einen urspruenglichen, wenn auch noch so schwachen Drang zum Guten hin. Wir nennen dies das "Gewissen". In unserer Unwissenheit ueber Gott mag uns unser Gewissen jedoch in falsche Richtungen fuehren, obwohl wir selbstverständlich glauben, wir liegen richtig. Darum können manchmal Leute mit gleichermassen gutem Gewissen untereinander in Konflikt geraten. Das Gewissen wird uns naturgemäss zu Gott zurueckfuehren; es wird letztlich mit dem wahren Willen Gottes eins werden. An diesem Punkt wird es zu unserem "urspruenglichen Gemuet" völlig eins mit Gottes Massstab der Wahrheit, der Schönheit, der Liebe und des Guten. Das urspruengliche Gemuet ist das Zentrum eines vollkommenen Mannes oder einer vollkommenen Frau. Aufgrund der Fuehrung durch das urspruengliche Gemuet lebt der Mensch in Uebereinstimmung mit dem Willen Gottes. Dieser Einklang beruht nicht auf Zwang oder gar Verpflichtung, sondern auf Liebe. Es ist so, als ob jemand in eine Person so sehr verliebt ist, dass er oder sie fuer den geliebten Partner alles tun wuerde und ihn nie mehr leiden sehen möchte. Solcherart ist unsere ideale Beziehung zu Gott. Keine Sorge und keine Last ist zu gross angesichts dieser Liebe. Zahllose Märtyrer in der Geschichte legen dafuer Zeugnis ab, dass die Liebe Gottes wertvoller ist als das Leben. Wenn wir uns der Liebe Gottes bewusst wären, so wuerden wir nie mehr suendigen wollen, weil wir einfach wissen wuerden, welchen Schmerz wir Gott dadurch bereiten.

Warum ist diese Liebe so unwiderstehlich? Sie ist es deshalb, weil es eine völlig ausgebende Liebe ist. Sie ist ewig; sie ist absolut und bedingungslos. Sie ist persönlich und doch geht sie ueber die Person hinaus, da wir sie mit anderen Menschen teilen sollen. Wir existieren als Individuen und als Glieder eines grösseren Ganzen. Sowohl unsere individuellen Beduerfnisse als auch die Beduerfnisse des Ganzen muessen erfuellt werden, damit wir vollkommen gluecklich sein können. Die Erfuellung des Gesamtzweckes garantiert auch die Erfuellung der Beduerfnisse und Sehnsuechte jedes einzelnen.

Als Jesus kam, sprach er ueber das Wesen dieser Liebe, lebte sie vor und teilte ihre lebensspendende Kraft mit uns. Er wusste, dass es notwendig ist, dass wir unsere Massstäbe ändern und nach einer neuen Art zu leben beginnen, ausgerichtet auf das Ganze, um vom geistigen Tod auferstehen zu können. Jesus wusste, welche Nahrung wir brauchen, um unseren Geist zu erneuern. Darum sagte er: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz samt den Propheten" (Mt 22,37-40).

Jesus versuchte, die Menschen dahingehend zu erziehen, dass sie die zwei wesentlichen Nährstoffe fuer das geistige Wachstum erhalten könnten: das Lebens element (Liebe zu Gott) und das Vitalitätselement (Liebe zum Nächsten). Jesus brachte Gottes Liebe und Wahrheit und lebte das Leben eines wahren Sohnes aufgrund dieses Massstabes. Er offenbarte uns die Liebe Gottes.

Gott verschenkte sich völlig an uns. Durch das Leben Jesu können wir erkennen, dass das Wesen des Herzens Gottes die aufopfernde Liebe ist. Aus dieser Sicht ist das Gute eine Tat der Liebe fuer den andern, ohne an sich selbst zu denken. Böse ist alles, was dem entgegensteht, eine Handlung der Liebe zu eigenen Gunsten, ohne an die anderen zu denken. Da wir niemals den wahren Standard der göttlichen Wahrheit, Schönheit, Liebe und des Guten erreicht haben, ist unser Leben mit der Erfahrung des Bösen in uns selbst und in den anderen belastet. Nachdem wir aber potentiell Kinder Gottes bleiben, erleben wir trotzdem auch Momente des Guten durch unser urspruengliches Gemuet. Diese Zwiespältigkeit ist ein Wesenszug jeder Person.

Wir nennen das unsere "widerspruechliche oder gefallene Natur". Gut und Böse widerstreiten einander in unserem Inneren, verursachen Frustration und Unklarheit im Verständnis unser selbst, der anderen und der Welt. Dieser "gefallene Zustand" schränkt unsere Fähigkeit ein, ein Leben des Guten im Einklang mit der Sehnsucht unseres urspruenglichen Gemuets zu leben. Die Ursache dieses gefallenen Zustands wird im nächsten Abschnitt behandelt.


(zum nächsten Kapitel: Der Fall des Menschen )