Wo Liebe fehlt

Allerdings hat sich gerade der Schnittpunkt menschlicher Beziehungen und sexueller Liebe als der Prüfstein erwiesen, an dem individuelle wie gesellschaftliche Bande zerbrochen sind. Der Niedergang ganzer Kulturen wurde ebenso auf sexuelle Sittenlosigkeit zurückgeführt wie Untreue als häufigster Trennungsgrund der Gegenwart benannt wird. Die Bibel erzählt von den reichen Städten Sodom und Gomorrha, die an ihrer Unmoral zugrunde gingen. Der britische Historiker Sir Arnold Toynbee spezifiziert diese vage Beschreibung im Hinblick auf weltgeschichtliche Prozesse: "Von den 21 am stärksten profilierten Zivilisationen in der Geschichte sind 19 nicht durch Eroberung untergegangen, sondern aufgrund ihrer internen Dekadenz". 6 Bekanntestes Beispiel für die Mechanik des Untergangs durch Korruption, innere Schwäche und Unmoral ist das römische Reich.

So wie die Weltgemeinschaft auf internationaler Ebene durch sinnlose Kriege erschüttert wird, treffen wir auf gesellschaftlicher Ebene auf Fremdenhaß, Ellenbogendenken, Solidaritätsschwund und das Fehlen gemeinschaftlicher Strukturen. Die offenen Gesellschaften gehen vielleicht bald daran zugrunde, daß sich niemand mehr für sie interessiert. Die Individualisierung geht so weit, daß Kinder als Hindernis auf dem Weg der Selbstverwirklichung abgelehnt werden, und Demographen - Bevölkerungswissenschaftler - schließen aus den Merkmalen individualistischer Kulturen, daß diese Kulturen "sich selbst zerstören" 7. Der Direktor des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft in Bonn warnte daher, daß in hochindustrialisierten Ländern tiefgreifende Veränderungen erforderlich sind, um ein Erlöschen der ethnischen und kulturellen Identität zu verhindern.

Wesentliche soziale Probleme unserer Kultur, die das Leben von Individuen psychisch oder physisch zerstören können, haben etwas mit dem Mißbrauch von oder der Unfähigkeit zur Liebe zu tun: sexuelle Verbrechen an Kindern, innereheliche Gewalttaten, AIDS, Schwangerschaften von Minderjährigen, auch die Bereitschaft zu Gewalt und kriminellem Tun. Die Autoren eines Manifestes für Deutschland 8 (u.a. Helmut Schmidt, Edzard Reuter) haben darauf verwiesen, wie schwer die Kriminalitätsprogrammierung, die in an Liebe toten Familien erfolgt, unser Gemeinwesen belastet.

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