Forgive - Love - Unite

Aus verschiedenen Ecken hatten sich mittlerweile dunkle Wolken über der Kirche zusammengebraut. Einige Vertreter der christlichen Konfessionen empfanden die Ansichten Reverend Moons als ungebührliche Häresie. Auf ihre Anfragen bei eigenen Schwesterkirchen in Korea hin wurden all die dort über 20 Jahre aufgebauten Anschuldigungen in den Westen exportiert und von evangelikalen Gruppen verbreitet, meist durch Flugblattaktionen während unifikatorischer Veranstaltungen. Eine kleine, aber äußerst agitative Truppe von Gegnern neuer Religionen formierte sich und entdeckte das immense Umsatzpotential, das in der berufsmäßigen Entführung und nachfolgenden Glaubensaustreibung von jungen Mitgliedern exotischer Gemeinschaften steckte. Je wilder die Horrormärchen, die über die Gemeinschaften verbreitet werden konnten, desto mehr brummte ihr Geschäft. Die mangelnde innere Abstimmung zwischen den unifikatorischen Gruppen an Ost- und Westküste und die in Amerika als unethisch empfundenen Rekrutierungsmethoden der Oakland Family kamen ihnen dabei zupaß. Aber der zentrale Auslöser zur Jagd auf die "Moonies" – der geschickt gewählte Schimpfname war nur einen Buchstaben von Loonies, sprich Bekloppten, entfernt – war folgendes: Im November des Jahres 1973 hatte dieser koreanische Prediger sich mit einer Watergate Erklärung an die amerikanische Öffentlichkeit gewandt und die Bürger der USA aufgerufen, ihrem Präsidenten zu verzeihen. Am 1. Februar 1974 traf Rev. Moon Präsident Nixon im Weißen Haus und drängte ihn, seine Fehler einzugestehen, aber nicht zurückzutreten.

Unter dem Motto Forgive - Love - Unite veranstalteten Mitglieder der Vereinigungskirche Rallies in amerikanischen Städten. Sie fasteten auf den Stufen des Kapitols und forderten Amerika auf, Präsident Nixon zu vergeben. Warum? "Ich habe mich in der Watergate-Affäre geäußert, weil ich diese nationale Krise abwenden und das nationale Gewissen Amerikas in einer Demonstration christlichen Geistes vereinigen wollte." Aber Hallo! Den Bürger der USA war soeben in Watergate, dem kleinkarierten Abhörskandal der Republikaner, ein willkommenes Ventil geschaffen worden, um das Unbehagen an der eigenen weltpolitischen Rolle zum Ausdruck zu bringen. Die politische Klasse fand in Richard Nixon einen Sündenbock, der wunderbar von eigenen Fehlern und eigener Korruption ablenkte. Die gegen Vietnam eingestellte Jugend rebellierte sowieso gegen Flagge, Vaterland und politische Autoritäten. Die Presse hatte sich als Gewissen der Nation zu neuen Höhen der Macht aufschwingen können. Woodstock, Hair, make love, not war - und da standen junge Leute für Nixon auf, fasteten für Einheit und Vergebung? Wer im Amerika der frühen siebziger Jahre unangenehm auffallen und Kontroversen auf sich ziehen wollte, konnte kaum etwas passenderes tun als Richard Nixon zu unterstützen und die Bedeutung des US-Engagements im Fernen Osten zu betonen.

Vietnam, Korea, wo war der Unterschied? Man war in den USA jeglicher asiatischer Affären müde und wollte nichts von weltpolitischer Verantwortung im Fernen Osten hören. Aber genau davon sprach Rev. Moon. Weil Nixons Beijing-Besuch im Februar 1972 und seine Ping-Pong Diplomatie zu einer Entlastung Südkoreas geführt hatten, schätzte Rev. Moon Richard Nixon als jemanden ein, der Gottes weltgeschichtlichen Plan unterstützt hatte. Der 38 Breitengrad, die Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea stellte aus dieser Sicht die Frontlinie zwischen Gott und Satan dar. Kim Il Sung hatte seit 1970 eine Invasion Südkoreas vorbereitet. Richard Nixon hatte den Chinesen geheime amerikanische Aufnahmen von sowjetischen Raketenstellungen präsentiert, die an der sowjetisch-chinesischen Grenze aufgestellt waren - und China bedrohten. Das brachte Unruhe in die ostasiatische Situation. Die Führung in Beijing pfiff Kim Il Sung zurück, und die Lage am 38. Breitengrad entspannte sich etwas. Für Rev. Moon hatte Richard Nixon mit seinen diplomatischen Schritten den Willen Gottes getan und eine weltpolitische Krise gemeistert sowie einen neuen Angriff auf Südkorea verhindert. Darüber hinaus sah Rev. Moon das Amt des US-Präsidenten als grundsätzlich schützenswert an. Daß Nixons Rücktritt für die US-Präsidentschaft nachteilig war, zumindest was die weltpolitische Handlungsfähigkeit anging, zeigte die folgende Präsidentschaft Jimmy Carters, der trotz hoher Menschenrechts-Ziele und christlicher Ambitionen als international schwächster US-Präsident der Nachkriegsgeschichte zu gelten hat.

Auch 1975 war für die Vereinigungskirche ein Jahr pausenloser Aktivitäten, das Jahr an dem die "weltweite Vorsehung auf der physischen Ebene" begann. Es soll hier etwas ausführlicher dargestellt werden, um einen Eindruck vom Arbeits- und Lebensstil Rev. Moons in diesem Jahren zu vermitteln. Am 6. Januar lud Reverend Moon zu seiner ersten öffentlichen Ansprache in Korea ein, einem "Day of Hope Banquet", dem weitere solche Bankette der Hoffnung folgten. Am 8. Februar zogen 1800 Paare in einer feierlichen Prozession an den Wahren Eltern vorbei und stellten sich in einer Halle in Seoul auf, um die Segnungsgelübde zu sprechen. Am 1. Mai führt Reverend Moon im Trainingszentrum am Chung Pyung See/Korea eine Zeremonie durch, die die "völlige Lösung des Grolls" erklärt. Alle Ressentiments der Geschichte sollen nach dieser geistlichen Handlung abgebaut werden können. Zwischen Frühjahr und Sommer wurden Missionare in 130 Länder entsandt, um das unifikatorische Fundament "auf Menschen in aller Welt auszudehnen." Um die Internationalität dieser Arbeit zu fördern, setzte sich jedes Team aus drei Personen zusammen: "einem japanischen Misionar, der den Orient repräsentierte, einem Deutschen als Repräsentanten Europas, und einem Amerikaner als Repräsentanten Nord- und Südamerikas. So waren sie Repräsentanten der ganzen Welt wie auch solche des Reverend Moon aus Korea." Im September 1975 wurde das vereinigungskirchliche theologische Seminar in den USA eröffnet, und zwar mit "einem interkonfessionellen Lehrkörper und einer Anfangsklasse von 56". Um das seinige für die Stabilisierung der Lage in Asien zu tun, sandte Rev. Moon die Teams, die in den USA dreijährige Kampagnenerfahrung gesammelt hatten, als 1. IOWC (International One World Crusade) nach Asien, nach Japan und Korea. Die internationalen Teams verbrachten zehn Wochen in Japan, bevor sie am 1. April nach Korea reisten. Sie assistierten dort in einer weiteren Ansprachentour, die am 7. Juni 1975 mit der Yoido-Island Rally for Korean Freedom abgeschlossen wurde, einer Veranstaltung, zu der 1,2 Millionen Menschen strömten, um Botschaften internationaler Sprecherinnen und Sprecher (die meisten davon Mitglieder der Vereinigungskirche) zu hören, die sich gegen den Kommunismus und für die Vereinigung Koreas aussprachen. "Auf dieser Rally erklärte ich aller Öffentlichkeit, daß der Kommunismus der Feind der Menschheit und der Feind Gottes ist."

Alle diese Aktivitäten, alle Kampagnen und Aktionen involvierten Reverend Moon auf irgendeine Weise. Entscheidungen wurden mit ihm abgesprochen, die meisten Investitionen von ihm genehmigt. Die Kampagne in Korea leitete er und war Redner bei allen Veranstaltungen. Im Herbst 1975 reichte es noch für einen Besuch in Deutschland und Ansprachen an die europäische Vereinigungskirche. "Zwischendurch" betätigte er sich noch als Pastor und predigte des Sonntags so oft als möglich vor seinen Anhängern. Das Sonntagsgebet, unifikatorische Tradition: 5 Uhr morgens, leitete meist über zu einer Predigt, die – inklusive Zeit für die Übersetzung – ohne weiteres zwei, drei und mehr Stunden dauern konnte. Weder die gespannte Aufmerksamkeit der Zuhörer noch der engagierte Einsatz des Predigers in diesem Gottesdiensten waren mit der gewohnten Sonntagsandacht einer etablierten Kirche zu vergleichen. Sollte es fortan nicht ein bißchen gelöster zugehen? Nicht bei Reve

Z Moon.

Am 1. Dezember 1975 sprach er wieder in New York über Pläne fürs nächste Jahr: eine Rally im Yankee Stadium, dem 54 000 Menschen fassenden Baseballstadion in der Nähe des John F. Kennedy Flughafens. Das Kampagnenkarusell dreht sich weiter. Zunächst jedoch steht noch ein Immobilienkauf auf dem Programm: in Manhattan wird der ehemalige Columbia University Club in der 43. Straße gekauft, der fortan als Verwaltungsgebäude der amerikanischen Vereinigungskirche und Versammlungsraum der hiesigen Gemeinde dient. 1976 werden das Hotel New Yorker (ein "kleinerer", 43stöckiger Wolkenkratzer schräg gegenüber vom Madison Square Garden) und das benachbarte Manhattan Center (ein traditionsreicher Konzertsaal) folgen. Aus dem New Yorker wird für die nächsten Jahre das Weltmissionshauptquartier der Vereinigungskirche. Die Yankee Stadium Rally als zweite Großveranstaltung in den USA werde "einen Wendepunkt" und einen "großen Erfolg" bringen, aber Reverend Moon schätzt bei einer weiteren Ansprache Ende Januar 1976 – schon ist er wieder in Korea – die Yankee Stadium Rally auch als eine bevorstehende "große Schlacht" ein. Er erwähnt, daß "Terroristen die Vereinigungskirche in Paris angegriffen" hatten. Ein Kirchenmitglied wurde bei diesem Bombenattentat schwer verletzt.

Tatsächlich kommt es in den USA im Vorfeld zu beträchtlichen Kontroversen, ebenso am Tag der Veranstaltung. Die Stimmungsmacher in Amerika hatten sich inzwischen voll gegen die "Moonies" und ihren "Profitpropheten" gewendet. Gegner der Vereinigungskirche paradierten vor dem Stadium, während der angefeindete Prediger drinnen vor halbgefüllten Rängen sprach. Auf den Videoaufzeichnungen erkennt man vom Winde verwehte Bühnendekorationen. Die hohen numerischen Zielvorgaben wurden auf keinen Fall eingehalten, und ein halbvolles Stadion wirkt nicht so eindrucksvoll wie eine viel kleinere, überfüllte Halle. Sprecher der Vereinigungskirche und die New Yorker Medien gaben recht unterschiedliche Beschreibungen des Ereignisses ab. Trotzdem war die interne Einschätzung eindeutig: wegen der unerschütterlichen inneren Standhaftigkeit der Mitglieder war die Veranstaltung vom 1. Juni 76 erfolgreich. Neue Losung: mit voller Kraft voraus!

Es bleiben nur wenige Wochen, aber die bereits angekündigte Rally am Washington Monument soll noch vor dem Herbst stattfinden. Niemand konnte behaupten, daß diese Veranstaltung am großen Obelisken in der Nähe des Weißen Hauses ihre Ziele nicht erreicht habe. Schätzungen über die Teilnehmerzahl bei Großereignissen gehen immer etwas auseinander, ob es aber etwas weniger oder mehr als 300 000 Besucher waren - nach einer 40tägigen Einladungskampagne war es mindestens die angestrebte viertelmillion Menschen, die am 18. September 1976 der Rede Rev. Moons und dem unifikatorischen Gratulationsprogramm zum 200. Geburtstag der Vereinigten Staaten beiwohnten. Dieser Erfolg wiegt schwer für den Leiter der Vereinigungskirche, gerade auch weil "die Washington Monument und Yankee Stadium Kampagnen nicht in einer aufnahmefreudigen Atmosphäre abliefen. Es herrschte Feindseligkeit. Die Presse zeigte sich feindselig… Da der Sieg am Washington Monument unter solch hinderlichen Umständen gewonnen wurde, war er sogar noch wertvoller und vollständiger."

Nach dieser Veranstaltung eröffnete Rev. Moon seinen staunenden und zum Teil auch ungläubig zuhörenden Anhängern, sein nächstes Ziel sei eine Friedensrally in der sowjetischen Hauptstadt Moskau. Der Antikommunist Moon in Moskau? Das ging dann doch über die Hutschnur des Glaubbaren. Geworden ist die Rally in Moskau keine Großveranstaltung im Stil Washington Monument, sondern eine Veranstaltung mit Großen: nachdem die Referenten der kommunismuskritischen Organisation CAUSA in Süd- und Nordamerika und in Europa unentwegt die Fehler der marxistischen Lehre und die Unmöglichkeit eines gottverneinenden Ideals aufgezeigt hatten, nachdem eine von Rev. Moon gesponsorte Konferenz in Genf 1985 zum Thema Der Niedergang des Sowjetimperiums getagt und die Möglichkeiten einer postkommunistischen Ära diskutiert hatte, besuchte Rev. Moon 1989 Michail Gorbatschow im Kreml und bot dem sowjetischen Präsidenten die Hand.

Aber wir greifen vor. Die Jahre seit 1976 waren ebenso aktivitätsgeladen wie die zurückliegende erste Phase des Engagements im Westen. Einige Stichworte zu dieser Zeit. Eine Vielzahl von Medienorganen wurde auf Reverend Moons Initiative geschaffen.1977 war das erste volle Publikationsjahr der in New York City erscheinenden Tageszeitung News World, die später in New York City Tribune umbenannt, 19xx aber eingestellt wurde. Die Verlagsgesellschaft News World Corporation jedoch besteht weiter und publiziert Wochen- und Monatsmagazine, eine spanischsprachige Tageszeitung und, als Flagschiff, die 1982 begründete Washington Times, die andere Zeitung in der US-Hauptstadt. Tageszeitungen in Japan und Korea, aber auch in Uruguay sind ebenfalls im Umfeld der Vereinigungskirche angesiedelt. Chryssidis schreibt, diese Medieninvestitionen "haben den erklärten Zweck, sicherzustellen, daß diese Sektoren der Medien neue journalistische Standards aufstellen, indem sie wahrheitsgemäß im öffentlichen Interesse berichten, ohne Verzerrungen, Propaganda oder Sensationsmache."

Am 23. Februar 1977 ruft Reverend Moon den Anbruch einer neuen Zeitrechnung aus. In Europa erleben die dortigen Zweigkirchen eine beachtliche Wachstumsphase, werden aber auch Ziel vielfacher Kritik. 1978 hält Reverend Moon sich einige Monate in Europa auf, mit London als Operationsbasis. Auch eine Segnung von 118 europäischen Paaren wird im Mai ´78 in London zelebriert. Die Missionen in aller Welt entwickeln sich mit unterschiedlichem Erfolg. In Lateinamerika nimmt die Organisation CAUSA es auf sich, eine ideologische Kritik des Marxismus und einen Gegenvorschlag an die Universitäten zu bringen. In den USA werden CAUSA-Seminare Mitte der achtziger Jahre flächendeckend durchgeführt, punktuell auch in Europa. Eine Reihe von Vorfeldorganisationen ist aktiv.

Die Jahre 1980-82 markieren für die meisten westlichen Mitglieder der Vereinigungskirche den lang ersehnten Moment ihrer Segnung. Zwischen dem Dezember ´80 und dem Sommer ´82 werden mehrere Verlobungszeremonien organisiert. Reverend Moon fährt fort, in seiner Nachfolgerschaft Ehepartner einander vorzuschlagen. Die Mehrzahl der ca 8 000 Ehen, die im Juli (New York, 2075 Paare) und im Oktober (Seoul, 6 000 Paare) des Jahres 1982 gesegnet wurden, sind arrangiert. Es gibt Ehepartner, die zur gegenseitigen Verständigung zunächst eines Übersetzers bedürfen. Das ist nicht die Regel, aber es eignet sich hervorragend für eine Sensationsmeldung. Das allgemeine Unverständnis gegenüber der Vereinigungskirche erklimmt weitere Höhen, von denen es in der Folge langsam, aber sicher heruntergleitet.

1981 wird in den USA ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung gegen Reverend Moon angestrengt, das sich über drei Jahre hinzieht. Nichtsdestoweniger beginnt im Februar 1983 eine mehrstufige Tätigkeitsphase, an der sich Mitglieder aus den USA, Korea, Japan und Europa beteiligen. Die 50 Staaten der USA werden in 10 Regionen aufgeteilt, jeweils geleitet von einem älteren koreanischen Kirchenmitglied. Bis Mitte 1984 ziehen kleinere IOWC-Teams über Land und führen Evangelisierungskampagnen durch. Im Mai ´84 steht es fest: Reverend Moon muß erneut ins Gefängnis. Vertreter der Vereinigungskirche legen ihre Unterlagen einflußreichen Persönlichkeiten aus dem christlichen Spektrum vor und überzeugen sie, daß diese Verurteilung vom Staat als Hebel benutzt werden könnte, um auch andere Religionsgemeinschaften zu gängeln und in ihren Rechten zu beschneiden. Die unterschiedlichsten Kirchen prüfen den Fall. Ad-Hoc Komitees für Religionsfreiheit werden ins Leben gerufen, Demonstrationen organisiert.

Joseph Lowery, ein bekannter, liberaler, schwarzer Bürgerrechtspastor und Jerry Falwell, der bibeltreue, erzkonservative weiße Vorkämpfer der Moral Majority, verteidigen auf einer gemeinsamen Pressekonferenz die Rechte der Vereinigungskirche und nennen Reverend Moon ein Justizopfer. Die gleiche Meinung wird vom National Council of Churches (der Ratsorganisation aller protestantischen Kirchen in den USA), der American Civil Liberaties Union (der größten Bürgerrechtsorganisation), katholischen Bischöfen, mehreren Oberstaatsanwälten, Politikern und Anwälten geteilt. Der Journalist Carlton Sherwood, der sich vordem aufgemacht hatte, "alles, was ging, über einen weiteren sogenannten »heiligen Mann«, den Reverend Sun Myung Moon, aufzudecken", hört 1985 eines Frühlingsnachmittags von zwei ihm bekannten Anwälten, gegen die Vereinigungskirche "hatten wir nie einen echten Fall". Einer der Anwälte war früher für die US-Regierung tätig, einer ist noch beim Department of Justice beschäftigt. Sherwood recherchiert, spürt durch Gerichtsakten und Aussagen und kommt zu dem Schluß: "Ich fand tatsächlich heraus, daß der Reverend Sun Myung Moon und seine Anhänger nach so ziemlich jedem Maßstab nichts Falsches getan hatten, bestimmt nichts, das eine Strafverfolgung rechtfertigte."

Reverend Moon, der sich stets als unschuldig bezeichnet hatte, rückte im Juli 1984 ins Gefängnis von Danbury/Connecticut ein. Er erschütterte damit die Kalkulation der amerikanischen Regierung auf zweifache Weise. Er rückte ein, obwohl er aus ländischer Staatsbürger ist und die US-Behörden ihm bis zum Haftantritt keinerlei Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit auferlegt hatten. "Moon und [sein Mitangeklagter] Kamiyama hätten sich einfach in ein Flugzeug setzen und die USA zu jeder Zeit verlassen können, bis zu und selbst noch an dem Tag, an dem sie sich den Wachen des Danbury Gefängnisses überantworteten." Es war dies noch einmal so ein Fall, daß man dem Verurteilten die Stadttore geöffnet und den sichersten Fluchtweg mit Farbe gekennzeichnet hatte, er aber darauf bestand, seine ungerechte Strafe zu verbüßen. Zum zweiten erwies sich die Inhaftierung Moons für einen Versuch der US-Behörden, die Vereinigungskirche zu paralysieren, als voller Schlag ins Kontor. Mit einem Schlag schienen die Mitglieder aufgewacht. Der durchschnittliche Unifikationist, der zuvor um jede alteingesessene protestantische Kirche einen ängstlichen Bogen geschlagen hatte, machte sich zum Pastor auf.

Unter der Leitung von Mrs Moon, die ihren Mann so oft als möglich im Gefängnis besuchte, kam eine Informationsaktion in Gang, bei der die Vereinigungskirche ihre Lehrmaterialien an die Experten des himmlischen Bodenpersonals verteilte, an die Pastoren aller möglichen Kirchengemeinden. Von einigen Christen kamen höhnische Dankesbriefe, die erklärten, man habe die schönen Videobänder (die damals vergleichsweise teuer waren) für "bessere Zwecke" genutzt, sprich überspielt. Andere schrieben, sie hätten die antichirstlichen Häresien verbrannt –; aber dergleichen war nicht wesentlich. Die ganz normalen Mitglieder der Vereinigungskirche luden nun ganz normale Pastoren ein, sich in Korea selbst ein Bild von der Lehre und Praxis ihrer Glaubensgemeinschaft zu machen. 7000 Pastoren folgten zwischen 1984 und 1988 der Einladung. Sie wechselten nicht den Glauben, aber viele wurden so bekehrt wie ein älterer Baptistenpastor aus Florida, der während dieser Interdenominational Conference for Clergy bekannte, er habe nach Reverend Moons Verurteilung ein Dankgebet zum Himmel geschickt. In Korea aber sei ihm klar geworden, daß diese Haltung seine eigenen christlichen Grundsätze verletzte – was ihn getrieben hatte, war die Abneigung gegen alle Asiaten, die er seit seinen Kriegserfahrungen im zweiten Weltkrieg verspürt hatte. Die Kritik amerikanischer Pastoren an der Vereinigungskirche ist seither weitaus sachlicher geworden.

1988 zeichneten sich die Umbrüche ab, die das Ende des Kalten Krieges ankündigten. Die Fassade der Sowjetmacht wies Risse auf, die Geschlossenheit des Warschauer Paktes erodierte wie Helgoländer Sandstein bei einem Jahrhundertsturm. Der "Kommunismusfreser" Moon hatte vor 40 Jahren Dinge über den dritten Weltkrieg geäußert, die man ihm gerade in Deutschland als Kriegstreiberei ausgelegt hatte. Es ist an der Zeit, das noch einmal nachzulesen: "Zur Zeit der Vollendung der menschlichen Geschichte müssen daher sowohl die himmlische als auch die satanische Seite jeweils in der ihnen entsprechenden Weise die Welt beherrschen. Diese beiden Welten, die der Demokratie und des Kommunismus, werden also gleichzeitig ihre Macht ausüben… Der nächste Krieg muß diese beiden Welten vereinigen. Es handelt sich dabei um den Dritten Weltkrieg, der zwangsläufig kommen muß, jedoch auf zweierlei Weise ausgefochten werden kann. Erstens besteht die Möglichkeit, die satanische Seite durch Waffengewalt zu unterwerfen… Die zweite Möglichkeit wäre, die satanische Welt auf ideologischer Ebene, also durch einen ausschließlich inneren Kampf ohne jegliche Anwendung äußerer Waffen, zu unterwerfen und eine Vereinigung herbeizuführen. Da die Menschen die Fähigkeit des Denkens besitzen, kann eine vollkommen vereinigte Welt nur dann entstehen, wenn sie auf dem Wege der Vernunft unterworfen und vereinigt werden." Rechnet man die Endzeitrhetorik und Eigenarten der Übersetzung einmal ab, dann steht hier: Die Konfrontation zwischen Kommunismus und Demokratie muß zwischen gleichstarken Kräften ausgefochten werden (wer wußte 1952 bzw. 1957 in Korea etwas von der balance of powers?). Der Konflikt zwischen beiden muß in ihrer Vereinigung münden. Der Dritte Weltkrieg kann ohne Waffenanwendung entschieden werden. Vernunft ist die conditio sine qua non in der Realisierung einer vereinigten Welt. Über die vom Gottismus angestrebte Gestalt der Vereinigung äußerte sich Reverend Moon im November 1989 während eines Besuchs im soeben auf die Vereinigungsstraße eingeschwenkten Deutschland etwas genauer: "Die bisherigen Ansätze zum Globalismus wollten die Individualität und die mannigfaltigen nationalen Kulturen erdrücken, aber in unserem Konzept einer vereinigten Welt werden alle Unterschiede der Eigenarten bewahrt." Wer wollte es dem Urheber dieser Thesen verdenken, daß er meint "Alles, was Reverend Moon gesagt hat, ist erfüllt worden."?