Gottes Herz heilen

Leben und Werk des
Reverend Sun Myung Moon

erschienen 1995 im Kando-Verlag

Die Zukunft beginnt * Moon - Mystery man? * Das Wesentliche * O tempora, O mores * Ziel: Wahre Eltern * Der Prediger von Pyöng-Yang * Gründung der Vereinigungskirche * Auf dem Weg zur Wahren Familie * Mehr als eine Kirche * In die USA * Forgive - Love - Unite * Elan ohne Ende * Kritiker bergeweise * Einzelne Vorwürfe und Konfliktpunkte * Wie wirkt Reverend Moon auf Menschen? * To reach the impossible

"Fait votre jeux, Mesdames e Messieurs!" – Life is a game of chance. Wo wir gehen und stehen, riskieren wir etwas, im Leben wie im Spiel, in jeder Beziehung zum anderen; selbst in einer langbewährten Liebe kribbelt in jedem Tag ein Risiko. Riskieren heißt gewinnen wollen. Die Gefahr des Verlierens ist uns bewußt, doch wir glauben an unseren Erfolg, oder an unser Glück. Wir riskieren, weil wir vertrauen.

Sie haben essentielle Geborgenheit erfahren? Sie besitzen einen Schatz, der die Reichtümer Salomos und die sieben Wunder der Welt verblassen läßt, der das Universum schrumpfen machen und Berge bewegen kann. Dieser Schatz gehört Ihnen. Keiner kann ihn entwenden. Er liegt nicht da, wo der Rost und die Motten ihn fressen und die Diebe nachgraben. Nur – man kann ihn nicht horten oder für Zinsen auf die Bank bringen. Dieser Schatz will stetig genutzt und immer neu riskiert werden. Und man kann ihn verlieren, auch verfaulen lassen.

Wie alle echten Schätze, so ist auch dieser kein materielles Gut. Aber wie wertvoll er ist, auch worin er eigentlich besteht, können wir oft nicht recht benennen. Erst da, wo wir ihn verloren sehen, fällt es uns wie Schuppen von den Augen: der arme, arme Mensch. "Man kann ja nichts und niemandem mehr trauen", der das sagt, hat seinen Schatz verloren. Sie wissen es längst: der Schatz hat manche Namen; die einen nennen ihn "Glauben", die anderen "innere Ruhe", "Seelenfrieden" oder "Vertrauen". Es sind all dies Ausdrücke für eine unsichtbare und lebenswichtige Fähigkeit, die so allgegenwärtig wie schwer zu definieren ist.

"Trau Dich doch" – spöttisch-herausfordernd rufen es Kinder einander zu. Selbstvertrauen wird von den meisten Deutschen für die beste Voraussetzung gehalten, um in den heutigen schwierigen Jahren im Arbeits- und Lebenskampf zu bestehen. Sollte ich mir hingegen selber gar nichts mehr zutrauen, bin ich gefangen. "Ich trau mich nicht einmal mehr auf die Straße" – wo alles Vertrauen verloren ist, tyrannisiert die Angst den Menschen, versklavt ihn, "ißt seine Seele auf".

Einem jeden von uns wurde ein Urvertrauen mit auf den Weg gegeben, die Lebenszuversicht, der Glaube an das Gute, das Vertrauen auf Eltern, Selbst und Mitmenschen. Glauben und Vertrauen sind die Fähigkeit zum Risiko. Vertrauen können heißt aufbauen können, Glauben bedeutet konstruktiv denken und handeln können. Vertrauen ist die Luft, die uns leben läßt. Aber dieser Glaube ist auch das Senfkorn, das aufbrechen und wachsen muß. Wir brauchen Eltern, denen wir vertrauen können, müssen an uns selbst glauben lernen, müssen im Vertrauen zu anderen Menschen erst einmal gestärkt werden. Unser Urvertrauen entwickeln.

Im modernen Finanzdeutsch heißt der von alters her ererbte Schatz Portfolio und sollte ausgewogen angelegt sein. Blindes Vertrauen auf mich selbst und sonst gar nichts? – Gottesglaube ohne den Glauben an das menschliche Potential? – Völliges Vertrauen auf Idole, Vorgesetzte, Helden aller Art, aber nicht auf meine Fähigkeiten? – Zukunftsgläubigkeit ohne Einsicht in die Lehren der Zeit und Erfahrung? Abgötterei, Hybris, Utopismus, Selbstüberschätzung und -verachtung: es gibt noch viele weitere Beispiele für übelst unausgewogene Glaubensbalancen. Vertrauen und Glauben sind ja auch nicht fraglos, nicht unvernünftig. Im Gegenteil, guter Glaube verträgt Vernunft; Vertrauen erträgt Fragen gern und gut. Sagt er oder sie mir einfach: trust me - so sage ich: why?

Mein Vertrauen auf Freunde, jeder Glaube wird immer wieder einmal auf die Probe gestellt: an Leben, Gott, Zukunft, Menschheit und sich selber möchte man manchmal verzweifeln. Aber das Vertrauen verlieren kann ich nur, wenn ich es aufgebe und wegwerfe. Dann nagt die Angst, die mir sonst warnend hilft, an jedem meiner Schritte. Niemand kann mich zwingen, mein Vertrauen oder meinen Glauben abzustoßen, vielmehr kann ich jeden Test, jede Verzweiflung bestehen und meine Vertrauensfähigkeit dadurch noch stärken. Glauben und Vertrauen gehen von mir aus, ich gebe, schenke, riskiere sie. Um zu gewinnen.

Es ist auch die Fähigkeit zur Revolution, dieses Vertrauen. Eine Untersuchung der Revolutionen in Europa zeigte auf, daß Menschen dann die Veränderung anpacken, wenn sie "Morgenluft schnuppern", Aussicht auf Verbesserung sehen. Die Männer und Frauen, die in Deutschland die Mauer brachen, glaubten an die Zukunft, vertrauten auf ihre Chance, trauten sich.

Trauen – dieses Wort benutzen wir auch, wenn wir unser Leben vollständig mit dem eines Ehepartners verknüpfen, uns auf Gedeih und Verderb zusammentun. Gibt es einen überzeugenderen Ausdruck des persönlichen Vertrauens als einen Ehebund, in dem sich zwei Menschen für jeden Tag ihres Lebens einander versprechen – anvertrauen? Sich trauen zu lassen, ist der Beweis eines Vertrauens in das Leben, in die Kraft der Liebe, in sich selbst, den anderen, die Zukunft, und – in jeder aus lebendiger Religiosität geschlossenen Ehe – in Gott.

25. August 1995. Ein Taifun tobt über der Südküste Koreas. In Seoul, der Hauptstadt, geht der abgeschwächte Sturm noch als Regen nieder, bei Temperaturen um 25 Grad. Im Olympiastadion nahe dem Han Fluß stehen 70 000 Menschen in diesem Regen. Sie wollen heiraten, und dafür trotzen sie nicht nur dem Wetter, sondern auch der Verständnislosigkeit vieler Zeitgenossen. Ihre Trauung und Ehesegnung, an der außer den 35 000 Paaren hier im Stadion noch hunderttausende über Satellit partizipieren, wird von den Veranstaltern als "International 360 000 Couple Blessing" bezeichnet und von Reverend und Mrs. Sun Myung Moon durchgeführt, Gründer und Wahre Eltern der Vereinigungskirche.

Viele der jungen Mitglieder der Vereinigungskirche, die heute Hochzeit feiern, haben Ablehnung durch Eltern und Verwandte erfahren, Verspottung durch Sensationsjournalismus und Anfeindungen durch Vertreter der Amtskirchen, die ihren Glauben als gefährliche Häresie verurteilten. Aber wie andere vor ihnen glauben sie an das, was sie da tun: sie heiraten mit dem Ziel, Weltfrieden durch ideale Familien zu verwirklichen. Und die Verfolgung und Verspottung sind geringer als vordem in den siebziger und frühen achtziger Jahren. Da wurden »Moonies« als die gehirntoten Anhänger eines Kultführers verachtet, der so verrückt war, den Kommunismus zum größten Übel der Epoche zu erklären, das jedoch bald nach dem 70. Gründungstag des kommunistischen Imperiums überwunden sein werde.

Der renommierte amerikanische Autor Don DeLillo drückte in seinem Buch Mao II den Zwiespalt der Gesellschaft im Umgang mit den Ideen Sun Myung Moons aus. Einerseits beschrieb er eine "Massenhochzeit" der Vereinigungskirche aus der Sicht konsternierter Angehöriger, die vom einheitlichen Duktus der Bräute und Bräutigame schockiert waren und die westliche Individualität vermißten. Andererseits ließ DeLillo einen seiner Helden sagen: "»Bei den Massenhochzeiten«, sagt Scott zu Britta, »geht es darum zu zeigen, daß wir als Gemeinschaften überleben müssen, nicht als Individuen…Ich kenne alle die Haken des Moon-Systems, aber in seiner Theorie ist es mutig und visionär«."

Am Ende des 20. Jahrhunderts ist die gröbste Polemik aus den Presseberichten verschwunden, auch die Hetze durch selbsternannte Inquisitoren hat nachgelassen. Die Segnungszeremonien sind für Menschen anderer Religion zur Teilnahme geöffnet worden. Bei der Segnung der 360 000 ließen Buddhisten, Moslems und Christen sich durch Reverend Moon mit der Abstammungslinie Gottes verbinden. Der Gründer der Vereinigungskirche wird als Stifter einer neuen Religion verstanden, das Glaubensangebot Vereinigungskirche ist im »religiösen Supermarkt« unserer Tage nicht mehr im Giftschrank weggeschlossen.

Es zeigen sich im ganzen Gefüge unserer Zivilisation andere Zeichen als in der Mitte des auslaufenden "Jahrhunderts des Totalitarismus". Historischer Wandel wird nicht mehr ausschließlich als gesellschaftlicher Prozeß begriffen, auch den Veränderern und Ausnahmepersönlichkeiten gesteht man – spätestens seit Gorbatschow – ihre gestaltende Funktion zu. Die unbedingte Wissenschaftsgläubigkeit und Annahme menschlicher Allmacht ist zurückgegangen. Die totale Rebellion gegen Eltern und Konvention hat keinen Musterwert mehr. Ein Versuch, die Entwicklungstendenzen unserer Zeit insgesamt zu charakterisieren, spricht vom Übergang vom (künstlichen) System zur (organischen) Struktur. Andere errechnen das "Ende des Individualismus", woraufhin wieder andere in Furcht erstarren vor der Zukunft als Zeit der "Massen". Der US-Autor Coupland hält seine Generation für die erste "Jugend ohne Gott". Gleichzeitig muß regelmäßig das schubartige Wachstum von Myzellgewächsen als Metapher herhalten, wenn die Ausbreitung neuer Glaubensgemeinschaften beschrieben werden soll - wie Pilze aus dem Boden…, so wird dem Religiösen ein neues Er starken angesagt; dabei schaudert es Europäern und Amerikanern vor dem islamischen Fundamentalismus, vor seinem Fanatismus, aber auch vor der Kraft des "normalen" Islam.

In Deutschland mag – und wen sollte das schrecken? – die Macht der großen Glaubensinstitutionen geschwunden sein, religiöse Themen hingegen sind alles andere als tot. Das beweisen nicht nur das Weltethos Projekt eines Hans Küng, die Bestseller eines Drewermann, die Jesus- oder Qumrambücher. Auch in manch kräftigem Streit zeigte sich unlängst, daß die Religion die Gemüter brodeln läßt bzw. in den Gemütern längst nicht erkaltet ist. Die Verleihung des Friedenspreises des deutschen Buchhandels 1995 an die Orientalistin Annemarie Schimmel löste hitzige Debatten aus, nur weil Frau Schimmel in der Rushdie-Affäre Verständnis für die Gefühle normalgläubiger Moslems äußerte. Obwohl die alte Dame jegliche fundamentalistische Hetze oder gar Mordaufrufe strikt ablehnte, wurde sie in einer Weise angegriffen, die für Udo Steinbach, den Leiter des Hamburger Orientinstituts, "einem Rufmord gefährlich nahe" kam. "Vermutlich ist die Angst vor dem Islam zu einem großen Teil die Sehnsucht nach Sinn in einer Welt ohne Religion", mutmaßte eine bekannte deutsche Wochenzeitung im Hinblick auf die enormen Emotionen, die sich gegenüber Frau Schimmel zeigten. Aber ist die Welt so bar der Religion?

In Österreich begehrten Katholiken mehr Demokratie in ihrer Kirche, und die Nation zeigte sich aufgewühlt. In Deutschland entspann sich ein weiterer religiöser Streit, den viele sicherlich für unmöglich gehalten hätten, aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts gegen zwingende Anordnung des Freistaates Bayern, in jedem Klassenraum müsse ein Kruzifix hängen. Hochrangige Vertreter des Rechtsstaates drückten ihren Widerstand gegen eine Entscheidung des obersten deutschen Gerichtes aus, bei einer Großkundgebung in München setzte der bayerische Ministerpräsident Stoiber die Verdrängung christlicher Symbole mit der Verdrängung christlicher Werte gleich.


Vertrauen, Glaube und Spiritualität sind ...

Grundbedürfnisse des Menschseins.
Der Münchener Kardinal Wetter mahnte gar bei diesem Anlaß: "Wohin ein Staat ohne Gott führt, hat unser Volk zweimal erlebt: im Nationalsozialismus und im Kommunismus." Vielen erschien dieser Vergleich unmäßig weit hergeholt, aber daß – im ganzen Land, in zahllosen Debatten – die Gefühle sich gerade an einer Frage religiöser Symbole entzündeten, weist auf die tiefe Verankerung des Religiösen hin. Religion drückt eine Urverbundenheit des Bewußtseins aus, die noch keine Ideologie und keine Säkularisation aufzulösen vermochten. Die religiöse Anlage des Menschen übersteht Phasen der Vernachlässigung und Mißachtung ohne Substanzverlust. Die Religion lehrt nicht nur Auferstehung und Ewigkeit, sie hat auch selber diese Kraft des Unverwüstlichen.

Die Historiker Wolf D. und Constantin von Barloewen versuchten vor einigen Jahren, Gesetzmäßigkeiten der Geschichte herauszuarbeiten und einen universalhistorischen Ausblick auf des dritte Jahrtausend vorzulegen. Gemäß der von ihnen vertretenen Wellennatur der historischen Bewegung produzierten sie Prognosen für die kurz-, mittel- und langfristigen historischen Bewegungen, aus denen hervorging, daß das dritte Jahrtausend in seinem größeren Teil von religiösen Staatsformen beherrscht sein werde. Die Autoren schreiben, diese Wellenbewegung erfolge mit zwingender Logik und der Übergang aus dem säkularistischen Bereich zu transzendental-religiösen Ideengebäuden sei die Hinwendung zu einer neuen, erregenden "terra incognita… Die Anfänge dieser Entwicklung, das Erscheinen kleiner Inseln spekulativ-religiösen Denkens sind, etwa in den zahlreichen Sektenbildungen und Erweckungsgruppen, aber auch in ultrakonservativen evengelikalen Zirkeln, deutlich wahrzunehmen."

Propheten haben ein unsicheres Geschäft, und die beiden Barloewen, die der Geschichte kein Ziel zuschreiben, hielten die Wahrscheinlichkeit eines Krieges zwischen NATO und Warschauer Pakt für hoch. Ein Jahr nach Erscheinen ihres Geschichtswerkes fiel die Mauer. Trotz dieser – von fast allen Köpfen der Zeit geteilten – Unfähigkeit, das Ende des Kalten Krieges zu erahnen, ist die Annahme eines Übergangs von säkular zum religiös gestimmten Gemeinwesen ernstzunehmen. Man kann es auch mit einfacheren Worten sagen: Das Religiöse kommt wieder. Damit aus dem Aufschwung des Religiösen nicht eine Entwertung der Wissenschaften und der Vernunft folgt, wie von Barloewen befürchtet, werden Dialog und Zusammenwirken von Religion und Wissenschaften zum Gebot der Zeit.