Der Prediger von Pyöng-Yang


Mit dem Ende des zweiten Weltkriegs wurde Korea von der japanischen Herrschaft frei, doch kommunistische Truppen rückten sofort vom Norden her auf die strategisch wichtige Halbinsel vor. Der junge Mann wird zwar vom Pastor einer charismatischen Gemeinde als herausragender Mensch bezeichnet, aber die Versuche, diesen Pastor und seine Gemeinde von seiner Sendung zu überzeugen, scheitern. Auch die Hoffnung, einflußreiche Christen in der neuen südkoreanischen Regierung für seine Sache zu gewinnen, wird zerschlagen. Ein anderer Weg muß beschritten werden. Seiner Frau hatte Moon schon bei Eheschließung gesagt, daß er sie eventuell für einige Zeit allein lassen werde, wenn er eine spezielle missionarische Berufung erführe. Am 6. Juni 1946 war dies der Fall. Das Wort Gottes lenkte ihn nach Pjöng Yang, der Hauptstadt des kommunistisch beherrschten Teils seiner Heimat. Sofort begann Sun Myung Moon zu predigen. Es heißt, daß er in wenigen Wochen eine Gemeinde von 30 Nachfolgern versammelte, von denen die meisten als Mitglieder verschiedener christlicher Kirchen zu ihm kamen.

Es muß eine sehr intensive Zeit gewesen sein, damals in Pyong-Yang. Viele Kirchen gab es in dieser Stadt, unter ihnen auch wieder viele chiliastische Gruppen. Während Sun Myung Moon in seiner eigenen Kirche Gottesdienste feierte, die manchmal bis nach Mitternacht andauerten, bemühte er sich um Kontakt zu christlich-endzeitlichen Gruppen. Noch nicht einmal zwei Monate nach seiner Ankunft in Pyong Yang wird der unbequeme Prediger verhaftet und für 100 Tage festgehalten. Im Gefängnis versuchte er, Hyo Bin Ho, die gleichfalls inhaftierte Leiterin einer christlichen Gruppe, von seiner Mission zu überzeugen. Er schreibt ihr einen Kassiber, der erklärt, wie wichtig es ist, daß sie ihre Freiheit erlangt, selbst um den Preis einer momentanen Verleugnung ihrer Überzeugung. Der Kassiber wird entdeckt, und Moon wird tagelang gefoltert. Dem Tode nahe, wirft man ihn an einem Herbsttag1946 aus dem Gefängnistor. Doch einige Nachfolger tragen ihn nach Hause und pflegen ihn gesund.

Für etwas mehr als ein Jahr kann Sun Myung Moon nun predigen und Gläubige um sich scharen. Es gibt Augenzeugenberichte aus dieser Zeit, die alle davon sprechen, daß intensive mystische Erfahrungen und enorme Glaubenserlebnisse die Gruppe auszeichneten. Andererseits zog sie viele Menschen an, die in der Folge die eigene Familie oder ihe bisherige Kirchengemeinde vernachlässigten. Verheiratete Frauen, die dem jungen Prediger nachfolgten, verweigerten sich dem Ehemann, nicht weil Moon es ihnen aufgetragen hatte, sondern weil sie sich geistig zur ehelichen Abstinenz getrieben fühlten. Weil Angehörige von Familie oder Kirche diese Neuorientierung nicht dulden wollten, wurden Frauen eingesperrt und geschlagen, Mitglieder anderer Gemeinden von ihren Pastoren gemaßregelt, und die neue Gruppe und ihr Prediger bei den kommunistischen Behörden denunziert. Am 22 Februar 1948 erfolgt die zweite Verhaftung. Von mehr als 80 christlichen Gemeinden liegen Beschwerden gegen Moon vor. Die Anklage lautet auf Unruhestiftung und Störung der öffentlichen Ordnung. Am 17 April erfolgt das Urteil: Fünf Jahre Arbeitslager!

Die Gruppe seiner Anhänger wurde nach der Verurteilung des Predigers in alle Winde zerstreut, nur eine Handvoll fand später den Weg zur in Südkorea gegründeten Vereinigungskirche. Über das Arbeitslager in Hung Nam, das an eine Fabrik für chemische Düngemittel angeschlossen war, gibt es Erzählungen von Unmenschlichkeit und auf den Tod der Gefangenen abzielenden Umständen. "Es war nicht so ein Gefängnis, in dem sie ihre Gefangenen resozialisieren, damit sie in die Gesellschaft entlassen werden und gute Menschen werden. Es war ein Ort, an dem sie die Leute sich zu Tode arbeiten ließen, weil es Feinde der Kommunisten waren."

Nach zwei Jahren und acht Monaten Haft wird Sun Myung Moon zusammen mit anderen überlebenden Insassen befreit. Wir schreiben den 14. Oktober 1950. Einige Gefangene sind noch kurz zuvor bei Bombenangriffen der UNO-Truppen und bei Erschießungen durch das Wachpersonal ums Leben gekommen. Zwei der Nachfolger, die Moon im Lager gewonnen hatte, begleiten ihn nach Pyong-Yang, um dort die übrigen Gruppenmitglieder zu suchen. Das Land ist im Aufruhr. Als die UNO-Offensive Gen. Mc Arthurs an der chinesischen Grenze gestoppt wird und chinesische Menschenmassen von der Führung in Peking solange als buchstäbliches Kanonenfutter ins UNO-Feuer geschickt werden, bis den UN-Truppen die Munition ausgeht, machen sich Flüchtlings ströme vom Norden Koreas in Richtung Süden auf.

Sun Myung Moon findet nur einige wenige Nachfolger in Pyong-Yang vor, manche sind geflohen, andere verschwunden, viele haben seiner Gruppe den Rücken gekehrt. Einige ältere Leute können die Strapazen der Flucht nicht auf sich nehmen. Von der alten Gruppe begibt nur Won Pil Kim sich am 4. Dezember 1950 mit auf den Weg nach Süden. Mit dabei auf dieser Flucht ist auch noch Hyo Hyun Pak, der zusammen mit Moon im Arbeitslager inhaftiert gewesen war. Dieser Mann jedoch, obwohl aktiver Christ, war Offizier in der nordkoreanischen Armee gewesen und auch Vertrauensmann der kommunistischen Lagerverwaltung in Hung Nam. Deshalb hatte ein südkoreanischer Soldat ihn während eines Verhörs in Pyöng-Yang geschlagen, so geschlagen, daß sein Bein brach. Diese Verletzung machte es erforderlich, daß der Flüchtling von seinen Gefährten getragen oder auf einem alten Fahrrad geschoben wurde. Die fast zweimonatige Flucht führte die drei Männer bis an den südlichsten Zipfel Koreas, in die Stadt Pusan, wo sie am 27. Januar 1951 ankamen. Hier war schon einmal während des Koreakrieges das letzte Standquartier der UN-Truppen gewesen, hier sammeln sich die vor den Angreifern aus dem Norden geflohenen Massen.

In Pusan erlebten der nun kaum mehr als 30 Jahre alte Sun Myung Moon und Won Pil Kim das Ende des Koreakrieges, während Hyo Hyun Pak etwas weiter nördlich in Taegu geblieben war. Sie trafen Duk Moon Aum, den Studienkollegen Moons aus den Tagen in Japan. Er war Architekt geworden und lebte mit seiner jungen Familie in einer bescheidenen Wohnung. Moon und Kim lebten für einige Zeit in verschiedenen Notunterkünften und arbeiteten in den Docks (Moon) bzw. einem Restaurant (Kim), bis sie sich im August 1951 eine Hütte aus Lehm und Pappe bauten, in der sie bis Januar 1953 wohnten. Diese Hütte, auf einem Berg mit Blick auf den Hafen und Ozean, ist als Keimzelle der Vereinigungskirche bekannt geworden.

Won Pil Kim fand einen Job als Hilfsmaler bei der US-Garnison. Später produzierten Sun Myung Moon und er gemeinsam Porträts von US-Soldaten, was einen bescheidenen Lebensunterhalt sicherte. In der Hütte am Berge schrieb und diktierte Sun Myung Moon die erste schriftliche Fassung seiner Lehren, von den Schöpfungsprinzipien bis hin zur Wiederkunft. Hier sammelten sich einige frühere und manche neue Anhänger; hier erzählte Moon von seiner Vision der vereinigten Welt, und davon, daß Menschen aus aller Herren Länder einmal diesen Hügel besuchen würden. Nicht wenige seiner Zuhörer hielten den, der solche umwerfenden Zukunftsbilder malte, für heilig, - und für ein bißchen verrückt.

Auch Moons Ehefrau fand hier in Pusan wieder zu ihrem Mann, aber der kümmerte sich weiterhin mehr um seine Mission als um die eigene Familie. Die Ehefrau reagierte mit Unverständnis und Intrigen. Wie Won Pil Kim später berichtet, muß auch ein Mangel an Einfühlungsvermögen seitens seiner selbst und anderer Gruppenmitglieder die Ehefrau Rev. Moons zurückgestoßen haben: "Für jene frühen Mitglieder, die nach der Wahrheit gesucht und schließlich Vater getroffen und die Wahrheit durch ihn gefunden hatten, war jeder Moment mit Vater so kostbar. Sie vergaßen ihre Familien, wollten nur so lange wie möglich um ihn sein. Sie fühlten sich großartig, aber denkt an Vaters Frau und Kind. Eine Frau will doch mit ihrem Mann und Kind auch mal alleine sein." Won Pil Kim bedauerte in dieser Erzählung, er sei damals nicht reif genug gewesen, um die Bedürfnisse der Familie Moon zu erkennen und habe am Tag der Ankunft von Reverend Moons Frau nicht daran gedacht, die ein Zimmer große Hütte für die Nacht zu räumen. Reverend Moon äußerte getreu seinem Leitsatz, sich zuerst um Nachfolger, dann um seine Familie und schließlich um sich selbst zu kümmern, kein solches Ansinnen. Im Laufe der nächsten zwei Jahre eskalierten die Zwistigkeiten zwischen der Ehefrau und Kirchenmitgliedern, sie begann den Kirchenbetrieb zu sabotieren und verlangte schließlich 1955 die Scheidung, in die ihr Mann widerstrebend einwilligte.