Einzelne Vorwürfe und Konfliktpunkte

Um den Stil des Umgangs mit Reverend Moon zu erhellen, sollen einige Anschuldigungen kurz besprochen werden. Zum Beispiel können schon Alter und Geburtsdatum eines Koreaners augenscheinlich zu Täuschungsversuchen uminterpretiert werden. Ein koreanisches Baby wird vom ersten Lebenstag an als einjährig bezeichnet und bis heute werden in bäuerlichen Gegenden Geburten nach dem Mondkalender aufgezeichnet. Sun Myung Moon und Hak Ja Han wurden beide an einem 6. Januar geboren - nach dem Mondkalender. Wird nun der 25. Februar 1920 in einem Handbuch als Geburtsdatum angemerkt, so wird nur der 6. Januar lunar auf den Solarkalender umgerechnet. Kritiker der neuen Religionen konstruierten hieraus aufgrund ihrer Unwissenheit - und aus der gefühlsüberladenen Ausdrucksweise eines seit Jahren von der Vereinigungskirche nicht mehr verwendeten Lebenslaufes - den Verdacht einer Geschichtsfälschung. Als Außenstehende verkennen sie gründlich, worin für Unifikationisten die Legitimation Reverend Moons besteht.

Auch daß eine gewisse Legendenhaftigkeit aus der mündlichen Überlieferung von Ereignissen aus Sun Myung Moons Jugend und der Frühgeschichte der Kirche erwuchs, braucht nicht zu schockieren. Allgemeiner Prüfung zugängliches Filmmaterial über ein koreanisches Dorf namens Cheong-Ju, in der Provinz Pyeong-an nahe der Küste gelegen, sind von keinem Dokumentarfilmer bekannt, weder vor noch nach 1930. Man sollte nicht den Fehler machen, die Augenzeugenberichte von Verwandten Sun Myung Moons mit wissenschaftlichen Aufzeichnungen oder mit einer psychologischen Studie zu verwechseln. Mitglieder der koreanischen Vereinigungskirche neigen, wie wir alle, in unterschiedlichem Ausmaß zu Übertreibungen und persönlichen Interpretationen ihrer Erlebnisse. Daraus zu folgern, dies müßten arglistige oder absolut unglaubwürdige Darstellungen sein, wie viele "Sektenexperten" es vom fernen Deutschland aus taten, ist schlichte Unterstellung. Vergleicht man die Berichte unterschiedlicher Personen über die Frühzeit der Vereinigungskirche, so ergeben sich hinreichende Indizien, um Tatsachen herauszufiltern und Meinungen auszusondern. Nichtsdestoweniger sind manche Ereignisse der Frühgeschichte der Vereinigungskirche noch nicht hinreichend aufgearbeitet und Lücken in der Geschichtsschreibung müssen noch geschlossen werden.

Es fällt bei Betrachtung der gegen Reverend Moon erhobenen Vorwürfe auf, daß spezifische Konfliktpunkte seit den Zeiten der Predigten in Pyöng-Yang durchgängig aufgetreten sind. In Ju Kim, eine der wenigen Personen, die Rev. Moon direkt nach dem 2. Weltkrieg in Nordkorea begegnet sind und aus jener Zeit erzählen können, berichtet: "In meiner presbyterianischen Kirche war mir natürlich beigebracht worden, daß Jesus gekommen war, um am Kreuz zu sterben. Die Betonung lag immer darauf, daß ich nur durch das Kreuz erlöst werden könne. Aber hier trat ein Mann auf, der sagte, Jesus habe der Menschheit ohne das Kreuz Erlösung bringen sollen " In Ju Kim war ein aktives Mitglied einer presbyterianischen Gemeinde gewesen, ihre Eltern waren Älteste, Mitglieder im Presbyterium.

"Meine Eltern… sagten zu mir: »Du beleidigst uns und bringst wahrhaftig Schande über unsere Familie, weil wir Älteste sind und Du zu dieser verrückten Antichristen-Gruppe gehst… Weil Du nicht mehr auf uns hörst, ist sicherlich der Teufel in Deinen Körper gefahren. Daher müssen wir den Satan aus Dir austreiben und Dich aus dieser schrecklichen Antichristen-Organisation herausholen. Weil unsere Worte bei Dir nichts fruchten, müssen wir Gewalt anwenden.« Dann begannen mein Vater und meine Mutter, mich zu schlagen, mein Vater weniger, aber meine Mutter schlug jeden Tag auf mich ein." Mrs. In Ju Kim war damals 30 Jahre alt, verheiratet und Mutter von zwei Kindern. Sie war mit ihrem dritten Kind schwanger, ließ sich aber trotz der elterlichen Gewalt nicht dauerhaft vom Besuch der Gruppe um den 27jährigen Prediger abhalten. Noch in den achtziger Jahren erregten sich Eltern in ähnlicher Weise über ihre mißratenen Kinder. Der 23jährige japanische Student Hidetoshi Yamada wurde 1983 von den eigenen Eltern und Verwandten am Ende einer Vorlesung aus dem Lehrsaal herausgetragen, ins Elternhaus gebracht und in einem eigens präparierten Raum angekettet – um ihn "wieder zur Vernunft zu bringen". Dies war kein Einzelfall. Eltern-Kind-Konflikte über die religiöse Orientierung des Nachwuchses nahmen, so die Kinder sich zur Vereinigungskirche entschieden, rund um die Welt erstaunlich häufig die Form des Extremen an. In den USA und einigen Ländern Westeuropas waren es allerdings meist "professionelle Deprogrammer", die der geistigen Freiheit handfest auf die Sprünge halfen, in den siebziger Jahren sollen es alleine 400 Deprogrammingversuche gegeben haben, nicht alle unter Einsatz brachialer Gewalt, aber alle Ausfluß massiver elterlicher Angst und Agressivität.

Verdächtigungen, die Vereinigungskirche sei ein Kult mit mysteriösen Sexpraktiken, gehen ebenfalls bis in die Zeit von Pyong-Yang zurück. Der britische Theologe George Chryssidis ging den Gerüchten nach und fand heraus, daß in einigen Endzeitgruppen der dreißiger und vierziger Jahre sexuelle "P´i kaerun" Reinigungshandlungen und rituelle Nacktheit praktiziert wurden. Personen aus diesen Gruppen standen in Kontakt mit Rev. Moon, was möglicherweise dazu führte, daß in der öffentlichen Meinung auch die Vereinigungskirche mit diesen religiösen Riten assoziiert wurde. Chryssidis fand jedoch keinerlei "Anhaltspunkte zur Unterstützung der Anschuldigung, die VK habe je diese Dinge praktiziert." Insgesamt weit häufiger waren im übrigen Vorwürfe, in der Vereinigungskirche werde die Sexualität der Mitglieder unterdrückt. Sie gehen zum einen ebenfalls bis in die Zeit von Pyong-Yang zurück, als verheiratete Frauen in Reverend Moons Kirche beten gingen und anschließend ihren Ehegatten die kalte Schulter zeigten, weil sie sich von einer inneren Stimme zur Abstinenz gerufen fühlten. Zum anderen wurde der Kirche immer wieder zur Last gelegt, daß sie voreheliche Enthaltsamkeit fordert. Diese Tradition, die zur Priorisierung des Geistes und zur Selbstdisziplin aufruft, war wahrhaft ein Verstoß wider den Zeitgeist.

Auch die unifikatorische Interpretation der Ziele Jesu wurde in den letzten 50 Jahren gerne angegriffen. Jene gläubigen Christen, die sich etwa hierzulande über die häretischen Lehren ereiferten, welche Reverend Moon der Jugend zum Kreuzestod Jesu präsentiere, hätten sich vielleicht zunächst in der deutschen Literatur nach ähnlichem umsehen sollen. Da wären sie etwa beim nationalen Jugendschriftsteller Nr. 1 fündig geworden: "Christus faßte den ganzen Inhalt seiner Lehre in das Gebot zusammen »du sollst Gott, deinen Herrn, von ganzem Herzen lieben und deinen Nächsten wie dich selbst«. Hätte er Gehorsam gefunden, so wäre das Reich des Friedens angebrochen… "

Auf theologische Kritik soll hier nicht eingegangen werden. Es sei nur erwähnt, daß Sun Myung Moon und seine Anhänger ein ebenso großes Anrecht auf ihre eigenen religiösen Überzeugungen haben wie jeder andere gläubige und ungläubige Bürger. Aus der einen religiösen Gewohnheit heraus mag es unverständlich sein, Jesus für den leiblichen, aus einer Jungfrau geborenen Sohn Gottes zu halten, aus der anderen mag man die Möglichkeit bezweifeln, daß ein 1920 geborener Koreaner und seine Frau als Wahre Eltern die Mission Jesu zur Erfüllung bringen. Andere Gläubige mögen unterstellen, jeder Mensch sei ans Rad der Wiedergeburt geflochten, das kosmische Bewußtsein äußere sich auf Mount Shasta oder der Papst sei in Glaubensfragen unfehlbar. Wichtiger scheint, und dieser Aspekt Rev. Moons wird meist übersehen, daß der Gründer der Vereinigungskirche großen Respekt vor den religiösen Überzeugungen aller Menschen hat und Zeit seines Wirkens den Dialog zwischen Gläubigen gefördert hat. "Die Vereinigungskirche (keine othodoxe Kirche) tut auf internationaler Ebene mehr für die Interreligiöse Bewegung als die Dialoggruppe des Weltkirchenrates oder in der römisch-katholischen Kirche das vatikanische Sekretariat für Nicht-Christen und mehr als diese beiden zusammen", schrieb Kenneth Cracknell vom Britischen Rat der Kirchen in der interreligiösen Zeitschrift Interfaith News.

Beliebt war schließlich immer der Vorwurf, Reverend Moon beute seine jungen Nachfolger aus, seine Kirche sei in Wirklichkeit so etwas wie ein "Internationales Wirtschaftsimperium ohne weltweite Holding". Wie andere seriöse Kritiker bestätigte hingegen Scheffler, der Gründer der Vereinigungskirche betone immer wieder, "daß die Vk in ihrem Grundwesen religiös und nicht politisch zu verstehen ist" und erklärte, daß es wegen des unifikatorischen Glaubens an die Möglichkeit des irdischen Himmelreiches nicht angebracht sei, "hier von der Verfilzung von Wirtschaft und Religion im negativen Sinn zu reden". Schon der Soziologe John Lofland, der die Vereinigungskirche bald nach ihrem Auftreten im Westen der USA untersuchte, meinte, Reverend Moon habe weder die Mühe noch die Kosten seines enormen Einsatzes in den USA auf sich nehmen müssen, hätte er Geld oder Macht über Anhängerscharen angestrebt, denn "er hatte von beidem genug". Diese Aussage trifft allerdings erst ab Mitte der sechziger Jahre zu. In einem Alter von etwas über 40 Jahren, in dem erfolgreiche deutsche Manager ans Aussteigen denken, stand dem Religionsstifter Moon zum ersten Mal ein motorisierter fahrbarer Untersatz zur Verfügung. Er reiste gedrängt, in der Regel 6, in einer Rekordausnahme 12 Passagiere lud er in den Jeep. Die US-Soziolgen D.

In die USA